Büro für Altlastenerkundung und Umweltforschung

Dr. Rainer Haas

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Einführung in die Analytik und Toxikologie bei der Altlastenbearbeitung

Dr. Rainer Haas
Büro für Altlastenerkundung und Umweltforschung, Stadtwaldstr. 45a, D-35037 Marburg



1 Einführung

Für die Einschätzung des Gefährdungspotentials einer Altlastverdachtsfläche oder eines Altlastenverdachtsstandortes sind die qualitative und quantitative Erfassung möglicher Fremdstoffe in den Medien Wasser, Boden und Luft sowie deren Einfluß auf die Umwelt und die Gesundheit des Menschen von wesentlicher Bedeutung. Erst nach Kennnis des Gefährdungspotentials, die von einer kontaminierten Fläche ausgeht bzw. ausgehen könnte, können Maßnahmen zur Beseitigung der Fremdstoffe (Sanierung) bzw. zu deren Eingrenzung (Sicherung) getroffen werden. Gegebenenfalls muß eine kontaminierte Fläche mit Nutzungsbeschränkungen belegt werden.

Die Beschreibung des aktuellen Ist-Zustandes des Vorliegens von Fremdstoffen in der Umwelt ist die Domäne der analytischen Chemie.

Die Ableitung der Gefahren, die von diesem Ist-Zustand für Mensch und Umwelt ausgehen können, ist die Domäne der Toxikologie, im speziellen der Human- und Ökotoxikologie.

Während eine Vielzahl von Laboratorien in der Bundesrepublik Deutschland chemisch-analytische Altlastenuntersuchungen durchführt und aufgrund des wachsenden Konkurrenzdruckes Untersuchungen oftmals zu Preisen angeboten werden, die die Grenzen der Auskömmlichkeit unterschreiten, sind weit weniger Institutionen in der Lage, eine fachlich qualifizierte toxikologische Abschätzung des tatsächlichen Gefährdungspotentials vorzunehmen.


2 Analytik in der Altlastenbearbeitung (Umweltanalytik)

2.1 Allgemeines

In der Umweltanalytik werden verschiedene Methoden eingesetzt, um Fremdstoffe in den Umweltmedien Wasser, Boden und Luft zu detektieren, zu identifizieren und quantitativ zu bestimmen.

Die Beschreibung des Ist-Zustandes einer Altlastenverdachtsfläche ist jedoch nicht einzig von einer gewissenhaften chemisch-analytischen Untersuchung der Proben abhängig. Im Vorfeld einer Probenahme mit anschließender chemisch-analytischer Untersuchung der Proben muß mit einer historischen Erkundung die Standortverhältnisse möglichst detailiert geklärt werden. Hierzu werden Archivunterlagen ausgewertet, Zeitzeugen befragt sowie eine multitemporale Luftbildauswertung durchgeführt.

Aufbauend auf die historische Erkundung wird eine Stoffliste erstellt, die alle Substanzen, die auf dem Standort produziert, gelagert und evtl. deponiert wurden, umfassen sollte. Weiterhin sollten Produktionsnebenprodukte sowie aus diesen Substanzen evtl. entstandene chemische, photolytische und mikrobielle Umwandlungsprodukte erfaßt werden.

Da in vielen Fällen eine umfassende Einzelstoffanalytik aller erfaßten Substanzen nicht möglich ist bzw. zu aufwendig wäre, wird i.a. eine Auswahl getroffen, die sich an der analytischen Erfaßbarkeit dieser Substanzen sowie an den zu erwartenden Hauptkontaminanten orientiert.

Entscheidend für eine aussagekräftige Altlastenuntersuchung ist, neben der sinnvollen Festlegung des Untersuchungsumfanges, daß die Proben an den „richtigen“ Stellen entnommen werden.

Dies ist in besonderem Maße für Bodenproben notwendig, da neben flächenhaften Kontaminationen, die aus Emissionen stammen, häufig kleinräumige, hochkontaminierte Areale vorhanden sind, die vor der Probenahme lokalisiert werden müssen.

Mittels Rastersondierungen solche kleinräumigen Kontaminationsherde zu treffen, ist fast aussichtslos, wie die folgende statistische Betrachtung zeigt: um einen Kontaminationsherd von 7 m² auf einer Fläche von 100 m² mit 68%iger Wahrscheinlichkeit zu treffen, sind 16 Sondierungen notwendig; das heißt, bei einer Fläche des Altlastverdachtsstandortes von 1 km² müßten 160.000 Proben entnommen werden. Reduziert man die Probenzahl auf 400, d.h. ein 50*50 m-Raster, sinkt die Trefferwahrscheinlichkeit auf 0,17%.



2.2 Probenahme

Bodengasproben können gewonnen werden, indem mittels einer Pumpe das Gas in einen Behälter aus Glas oder Kunststoff gesaugt wird. Weiterhin können definierte Gasvolumina mittels einer Pumpe durch ein Röhrchen geleitet werden, das Aktivkohle oder eine Flüssigkeit enthält. Organische Lösungsmittel werden z.B. an Aktivkohle adsorbiert und auf der Aktivkohle angereichert.

Wasserproben können als Schöpfproben aus Oberflächengewässern gewonnen werden. Proben aus Grundwassermeßstellen werden mittels einer Pumpe gewonnen. Die Probenahme sollte erst nach dreifachem Austauschen des Brunneninhaltes bzw. nach Konstanz der elektrochemisch gemessenen Parameter (i.a. Temperatur, spez. el. Leitfähigkeit, pH-Wert und Redox-Spannnung) erfolgen.

Bodenproben können mittels Schaufel, aus Baggerschürfen sowie mit Sondierungsbohrungen gewonnen werden. Oft werden mehrere Einzelproben zu einer Mischprobe vereinigt. Dies spart Analysekosten und erhöht die Wahrscheinlichkeit, kleinräumige Kontaminationsherde zu erfassen. Dies wird mit einer, bezogen auf die Einzelprobe, geringeren Nachweisempfindlichkeit erkauft.

Die Wahl der Probenahmegefäße ist entsprechend des geplanten Untersuchungsumfanges festzulegen. Dies trifft im Besonderen auf Wasserproben zu. Teilproben zur Untersuchung auf Anionen und Kationen werden in PE-Flaschen entnommen, während für organische Substanzen i.a. gasdichte Braunglasflaschen geeignet sind. Für einige Parameter sind zusätzliche Konservierungsmaßnahmen bei der Probenahme notwendig.

Für Bodenproben sind gasdichte Braunglasgefäße geeignet.

Die Proben sollten auf dem schnellsten Weg in das Labor überführt und dort schnellstmöglich aufbereitet werden, um eine Veränderung der Probe zu verhindern. Bis zur Aufbereitung sollten die Proben kühl gelagert werden.



2.3 Probenaufbereitung

Wasser- und Bodenproben müssen i.a. vor der chemisch-analytischen Untersuchung einer Probenaufbereitung unterzogen werden.

Bodenproben werden homogenisiert und gesiebt, der Feinkornanteil kleiner 2 mm wird analytisch untersucht. Mit einer separaten Teilprobe wird das Trockengewicht der Probe bestimmt, die Ergebnisangabe erfolgt in Bezug auf den trockenen Feinkornanteil.

Für Elementanalysen von Wasser- und Bodenproben wird i.a. ein Druckaufschluß durchgeführt, der die Verbindungen zerstört und in analysierbare anorganische Salze umwandelt.

Zur Untersuchung auf organische Substanzen in Wasserproben wird eine flüssig-flüssig Extraktion mit einem geeigneten Lösungsmittel bzw. eine flüssig-fest-Extraktion (Adsorption an einer Festphase mit anschließender Desorption mit einem geeigneten Lösungsmittel) durchgeführt.

Zur Untersuchung auf organische Substanzen in Bodenproben wird eine fest-flüssig-Extraktion durchgeführt. Häufig werden Ultraschall-Extraktion bzw. Soxhlet-Extraktion eingesetzt.


2.4 Analytische Methoden und ihre Einsatzmöglichkeiten

2.4.1 Feldanalytik

Zur Detektion von Spurengasen bei der Probenahme werden Gas-Prüfröhrchen eingesetzt. Diese sind mit Reagenzien gefüllt, die mit einer bestimmten gasförmigen Substanz zu einem Farbstoff reagieren. Die Länge der gefärbten Zone entspricht einer bestimmten Konzentration dieses Gases in der Luft, so das mittels einer auf dem Prüfröhrchen angebrachten Skalierung quantitative Bestimmungen von Spurengasen durchgeführt werden können.

Hauptsächlich zur halbquantitativen Bestimmung anorganischer Substanzen, Kationen und Anionen, in Wasser ist eine Reihe von Testkits im Handel verfügbar. Auch hier werden spezielle Reagenzien eingesetzt, die mit den Zielsubstanzen spezifische Farbkomplexe bilden. Mittels einer Vergleichsskala kann visuell eine halbquantitative Bestimmung durchgeführt werden.

In den letzten Jahren werden vermehrt enzymatische Testsysteme angeboten, mit denen spezielle organische Substanzen halbquantitativ bestimmt werden können.

Bei der Wasserprobenahme kommen Meßgeräte zur elektrochemischen Bestimmung von pH-Wert, spezifischer elektrischer Leitfähigkeit, Redox-Spannung, Temperatur und Sauerstoff zum Einsatz.



2.4.2 Photometrie

Organische Substanzen können elektromagnetische Strahlung bestimmter Wellenlängen im sichtbaren bzw. ultravioletten Bereich absorbieren. Dadurch werden Elektronen in einen angeregten Zustand überführt.

Die daraus resultierende Lichtschwächung ist proportional zur Konzentration der lichtabsorbierenden Substanz. Durch Vergleichsmessungen mit bekannten Konzentrationen der lichtabsorbierenden Substanz können quantitative Bestimmungen durchgeführt werden. Die Zielsubstanz kann entweder direkt untersucht werden oder sie wird durch eine geeignete chemische Reaktion in eine lichtabsorbierende Substanz umgewandelt.

Die Photometrie wird zur Gruppenbestimmung organischer Schadstoffe (z.B. Phenolindex, aromatische Amine) sowie zur Einzelsubstanzbestimmung anorganischer Substanzen (Kationen, Anionen), nach chemischer Umwandlung in ein Farbstoffmolekül, in wäßriger Lösung eingesetzt. Die Photometrie hat in der Umweltanalytik erheblich an Bedeutung verloren und wird zunehmend durch neuere chromatographische Verfahren ersetzt.

Ein Sonderfall der Photometrie in der Analytik ist die Kohlenwasserstoffbestimmung nach der H 18-Methode. Durch Einstrahlung von infrarotem Licht werden Molekülschwingungen, hier die C-H-Schwingung, ausgelöst, das infrarote Licht wird vom Kohlenwasserstoff absorbiert.


2.4.3 Atomabsorptionsspektrometrie (AAS)

Die Atomabsorptionsspektrometrie ist die gebräuchlichste Methode zur quantitativen Bestimmung von Kationen (Metalle, Halbmetalle) in wäßriger Lösung. Wäßrige Lösungen werden mittels eines Gasstromes in ein Aerosol umgewandelt und in eine Flamme bzw. ein Plasma geführt. Wie bei der Photometrie wird Licht geeigneter Wellenlänge eingestrahlt, die äußeren Elektronen von Kationen werden in einen angeregten Zustand überführt, bei gleichzeitiger Absorption des Lichtes. Die Lichtschwächung ist proportional zur Konzentration des Kations. Die quantitative Bestimmung erfolgt mit Kalibrierlösungen bekannter Konzentrationen des Zielelementes.



2.4.4 Chromatographische Trennmethoden

2.4.4.1 Gaschromatographie (GC)

Die Gaschromatographie wird in der Umweltanalytik zur Trennung organischer Substanzen eingesetzt. Sie beruht auf folgendem Prinzip:

Ein Trägergas, Helium oder Stickstoff, durchströmt eine Kapillarsäule, die typischerweise einige 10 m lang ist und einen Innendurchmesser von 0,2 bis 1 mm besitzt. Die Säule ist innen mit einer speziellen Substanz belegt. Die zu analysierende Lösung (organische Extrakte von Wasser- und Bodenproben) wird mit einer Injektionsspritze (Menge ca. 1-5 µl) in den Einspritzblock überführt, dort verdampft und mit dem kontinuierlich fließenden Trägergasstrom in die Kapillarsäule überführt. Durch Wechselwirkung der zu trennenden Substanzen, die unterschiedliche Stoffeigenschaften besitzen, mit dem Belegungsmaterial der Säule werden diese mehr oder weniger stark in ihrer Strömung im Trägergas verzögert. Dies führt zu einer Auftrennung eines Stoffgemisches: unterschiedliche Substanzen erreichen zu unterschiedlichen Zeiten den Ausgang der Kapillarsäule. Durch Variation der Säulentemperatur werden diese Zeiten beeinflußt, so das für unterschiedliche Trennprobleme durch Variation der Säulentemperatur ein optimaler Kompromiß zwischen Trennleistung und möglichst kurzen Analysezeiten gefunden werden muß.

Die Detektion der getrennten Substanzen erfolgt mittels verschiedener Detektoren. In der Umweltanalytik sind der Flammenionisationsdetektor (FID), der Elektroneneinfangdetektor (ECD) sowie die Massenspektrometrie (MS) gebräuchlich.

Im FID werden die die Säule mit dem Trägergasstrom verlassenden Substanzen in einer kontinuierlich brennenden Wasserstoff/Luft-Flamme verbrannt. Organische Moleküle bilden nach der Verbrennung Kationen und Elektronen, die an einer Anode und einer Kathode entladen werden. Der dadurch fließende Strom wird als Signal detektiert. Der FID ist zur Spurenanalyse organischer Moleküle universell einsetzbar.

Der ECD ist ein selektiver Detektor, der hauptsächlich zur Analyse von organischen Halo-gen-, Schwefel- und Nitroverbindungen eingesetzt wird. Für diese in der Umweltanalytik wichtigen Stoffgruppen erreicht er eine wesentlich höhere Nachweisempfindlichkeit als der FID. Der ECD besitzt einen ß-Strahler, meist Ni63, der das Trägergas ionisiert und langsame Elektronen freisetzt. Diese Elektronen werden durch Anlegen einer Beschleunigungsspannung zu einer Anode geführt, wodurch ein kontinuierlicher Nullstrom fließt. Halogen-, Schwefel- und Nitroverbindungen, die den Detektor mit dem Trägergasstrom erreichen, nehmen diese Elektronen auf. Dies führt zu einer Verringerung des Nullstroms, die proportional zur Konzentration der Halogen-, Schwefel- bzw. Nitroverbindung ist.

Die quantitative Bestimmung ist nur durch Vergleich mit bekannten Referenzsubstanzen möglich.

Die Massenspektrometrie in Kopplung mit der Gaschromatographie (GC/MS) ist die Methode der Wahl zur Identifizierung organischer Substanzen. Die in der Umweltanalytik gebräuchlichste Methode ist die der Elektronenstoß-Ionisation mit Magnetfeld-Fokussierung der gebildeten Ionen.

Durch einen energiereichen Elektronenstrahl (typischerweise 70 eV) werden organische Moleküle fragmentiert und ionisiert. Anschließend werden die gebildeten Ionen durch ein Magnetfeld von ihrer Flugbahn abgelenkt und zusätzlich durch Anlegen einer Beschleunigungsspannung beschleunigt. Die Ablenkung im Magnetfeld und die Geschwindigkeit der beschleunigten Ionen ist proportional dem Quotienten aus Masse und Ladung (m/z). Durch Änderung der Beschleunigungsspannung bzw. der Magnetfeldstärke erreichen Ionen mit bekanntem m/z zu definierten Zeiten den Detektor. Es wird ein sog. Massenspektrogramm erhalten, welches substanzspezifisch ist. Auch die Struktur unbekannter Substanzen kann anhand ihres Massenspektrums aufgeklärt werden, da die Fragmentierung bei der Ionisation gewissen bekannten Regeln folgt.



2.4.4.2 Hochdruckflüssigkeitschromatographie (HPLC)

Die HPLC, neben der GC das wichtigste Trennverfahren in der analytischen Chemie, beruht auf folgendem Prinzip: Das zu trennende Stoffgemisch, das sich in einem mit Wasser mischbaren Lösungsmittel befindet, wird auf eine Trennsäule aufgegeben (Injektionsvolumina typischerweise 10-50 µl). Diese Trennsäule ist 10-25 cm lang und besitzt einen Innendurchmesser von 2-4 mm. Sie ist mit einem Material gepackt, welches mit dem zu trennenden Stoffgemisch Wechselwirkungen eingeht. Durch diese Säule wird kontinuierlich ein Lösungsmittelgemisch (Eluent) (z.B. Wasser/Methanol; Wasser/Acetonitril) unter hohem Druck (100-200 bar) gepumpt. Da unterschiedliche Stoffe unterschiedliche Eigenschaften besitzen, verteilen sie sich auf ihrem Weg durch die Trennsäule und erreichen zu verschiedenen Zeitpunkten den Säulenausgang. Durch Variation des Lösungsmittelgemisches können diese Zeitpunkte verändert werden.

Die wichtigsten Detektoren sind der UV-Detektor und der Photodiodenarray-Detektor. Mit dem UV-Detektor wird kontinuierlich die UV-Absorption der Lösung bei einer bestimmten Wellenlänge gemessen, während der Photodiodenarray-Detektor mittels Photodioden die UV-Absorption der Lösung bei vielen Wellenlängen mißt, die zu einem vollständigen UV-Spektrum kombiniert werden können (siehe auch Kap. 2.4.2, Photometrie).

Mit HPLC können alle organischen Substanzen quantitativ bestimmt werden, die im UV-Bereich Strahlung absorbieren sowie mit dem Eluenten mischbar sind.



3 Toxikologie in der Altlastenbearbeitung

Nach Feststellung des Ist-Zustandes, des Vorkommens von Fremdstoffen auf einer Altlastenverdachtsfläche muß dieser Ist-Zustand einer Bewertung unterzogen werden, um festzustellen, ob von der Altlastenverdachtsfläche eine Gefahr für die Umwelt und den Menschen ausgeht.

Diese Gefährdungsabschätzung muß die folgenden Punkte berücksichtigen, die näher betrachtet werden.



3.1 Physikalische Transportprozesse

Wasserlöslichkeit und Dampfdruck sind entscheidende Parameter für den Transport von Fremdstoffen in der Umwelt. Substanzen mit Wasserlöslichkeiten im µg/l-Bereich sind wenig mobil bis immobil, eine Ausbreitung in der Umwelt über den Wasserpfad spielt nur eine geringe Rolle. Substanzen mit Wasserlöslichkeiten im g/l-Bereich sind mobil und werden schnell in der Umwelt verteilt. Substanzen mit Wasserlöslichkeiten im mg/l-Bereich können oft über Jahrzehnte zu Kontaminationen des Grundwassers mit dem Fremdstoff im µg/l-Bereich beitragen. Flüchtige Substanzen können aus dem Wasser oder dem Boden in die Luft übergehen.

Bei diesen physikalischen Transportprozessen wird die Substanz nicht verändert.



3.2 Chemische Transformation

Wichtige chemische Umwandlungsreaktionen sind Hydrolyse, Photolyse, Reduktion und Oxidation.

Photolytische Umwandlungsreaktionen finden in der Luft sowie an der Oberfläche von Wasser und Boden statt. Dabei kann die Substanz direkt durch die Einwirkung von Sonnenlicht oder indirekt durch Reaktion mit Radikalen, die durch Einwirkung von Licht entstanden sind, chemisch umgewandelt werden. Durch photolytische Prozesse werden organische Fremdstoffe oft abgebaut.

Die Hydrolyse von Fremstoffen findet im Wasser bzw. in der wassergesättigten Bodenzone statt. Die Hydrolysegeschwindigkeit ist abhängig von der Temperatur und dem pH-Wert.

Im Wasser und in der Luft können Fremdstoffe durch Hydroxy-Radikale oder Ozon oxidiert werden.

Reduktionsreaktionen von Fremdstoffen finden im anaeroben Milieu von Sedimenten und Böden statt.

Durch chemische Transformationen wird der Fremdstoff verändert, die entstehenden Umwandlungsprodukte besitzen oft völlig andere Stoffeigenschaften als die Ausgangssubstanz. Durch Photolyse und Hydrolyse entstehen oft Umwandlungsprodukte mit geringerer Toxizität als die Ausgangsprodukte, Reduktionsreaktionen können zu Umwandlungsprodukten mit höherer Toxizität als die Ausgangsprodukte führen.



3.3 Biologische Transformation

Fremdstoffe können im Wasser und in der wassergesättigten Bodenzone mikrobiell umgewandelt werden. Die wichtigsten Reaktionstypen sind Mineralisierung, Oxidation, Reduktion sowie Biomethylierung (z.B. von anorganischen Quecksilberverbindungen). Mineralisierung, Oxidation und Biomethylierung finden im aeroben Milieu, Reduktion im anaeroben Milieu statt. Biologische Transformationsprozesse spielen bei der Umwandlung von Fremdstoffen eine größere Rolle als chemische Transformationsprozesse. Wie bei diesen wird der Fremdstoff verändert, es entstehen Umwandlungsprodukte, die andere Stoffeigenschaften als die Ausgangsprodukte besitzen.

Durch biologische Transformationsprozesse können Fremdstoffe in der Huminmatrix fixiert werden. Dadurch wird der Fremdstoff zunächst immobilisiert und dem Stoffkreislauf entzogen. Dies ist jedoch keine echte Entgiftung. Durch Änderung der Milieubedingungen kann der Fremdstoff remobilisiert werden. Problematisch in der Altlastenbearbeitung ist jedoch, das der Fremdstoff im festgelegten Zustand einer chemisch-analytischen Untersuchung nicht zugänglich ist, er ist quasi „maskiert“.

Eine Mineralisierung führt zu einer Entgiftung des Fremdstoffes. Die durch Biomethylierung und Reduktion entstandenen Metabolite sind oft toxischer als die Ausgangsverbindung.

Physikalische Transportprozesse, chemische Transformation und biologische Transformation sind entscheidende Parameter für die Abschätzung der Ausbreitung eines Fremdstoffes und seiner Metabolite in der Umwelt.



3.4 Humantoxikologie

Auf der Grundlage der chemisch-analytischen Untersuchungsergebnisse sowie von Daten zu physikalischen Transportprozessen, chemischen und biologischen Transformationen kann eine Expositionsabschätzung vorgenommen werden. Diese Expositionsabschätzung ist zugleich die erste Stufe der (human)toxikologischen Bewertung und muß neben dem Fremdstoff auch seine Umwandklungsprodukte umfassen. Relevante Expositionspfade für Fremdstoffe auf Altlasten sind:

- Luft: gasförmige oder partikelgebundene Fremdstoffe können über die Atemluft aufgenommen und in der Lunge resorbiert werden

- Wasser: gelöste Frendstoffe können über das Trinkwasser aufgenommen und im Magen-Darm-Trakt resorbiert werden und

- Boden: Fremdstoffe können durch durch Hautkontakt oder direkte Bodenaufnahme (hauptsächlich von Kindern) resorbiert werden.

Die toxische Wirkung eines Fremdstoffes im (menschlichen) Organismus wird in drei Phasen unterteilt:

1) die Expositionsphase (s.o.)

2) die toxokinetische Phase und

3) die toxodynamische Phase.

Die toxokinetische Phase umfaßt die Stufen Resorption, Verteilung, Metabolisierung (Umwandlung) und Ausscheidung des Fremdstoffes.

Nach der Aufnahme (Resorption) des Fremdstoffes über die Haut, die Lunge oder den Magen-Darm-Trakt wird er zunächst über das Blut im Körper verteilt. Gut wasserlösliche, hydrophile Substanzen, können können evtl. über die Niere und den Urin direkt ausgeschieden (eliminiert) werden. Gut fettlösliche, lipophile Substanzen werden hauptsächlich in der Leber umgewandelt (Metabolisierung, Biotransformation), meist in hydrophile Substanzen, die dann über Niere und Urin ausgeschieden (eliminiert) werden können.

Biotransformation und Elimination sind körpereigene Entgiftungsmechanismen.

Lipophile Substanzen können jedoch im Fettgewebe des Körpers gespeichert (immobilisiert) und bei chronischer Exposition angereichert werden (Bioakkumulation). Sie sind zunächst nicht bioverfügbar und zeigen keine toxische Wirkung. Durch plötzlichen Abbau des Fettgewebes können diese Fremdstoffe jedoch in hohen Konzentrationen mobilisiert werden und massive toxische Wirkungen zeigen.

In der toxokinetischen Phase kann der Fremdstoff jedoch durch Biotransformation in toxische Metabolite umgewandelt werden, der Fremdstoff wird bioaktiviert.

Die toxodynamische Phase umfaßt die toxischen Wirkungen des Fremdstoffes oder seiner bioaktivierten Metabolite.

Allgemein löst die Wechselwirkung des Fremdstoffes in einem Zielorgan einen Effekt an einem Wirkort aus.

Zielorgan und Wirkort können, müssen aber nicht identisch sein (z.B. Strychnin: Zielorgan: ZNS; Wirkort: quergestreifte Muskulatur; Effekt: Krämpfe).

Wichtige toxische Wirkungen sind z.B.:
- Hemmung von Emzymen
- Entkopplung biochemischer Reaktionen
- Letalsynthese
- Störung der Atmungskette
- Hemmung des Sauerstofftransportes im Blut
- Störungen des Zentralnervensystems (ZNS) und
- Störung der DNA- und RNA-Synthese.

Die Störung der DNA- und RNA-Synthese kann zytostatische Wirkungen (Hemmung der Zellteilung), teratogene Wirkungen (Schädigung von Embryonen), mutagene Wirkung (Veränderung der DNA in der Zelle) oder karzinogene Wirkung (Krebsentstehung durch DNA-Schädigung) auslösen.

Anders als die meisten der o.g. toxischen Wirkungen treten die toxischen Effekte nach Störung der DNA- bzw. RNA-Synthese erst nach einer Latenzzeit, die Jahrzehnte betragen kann, auf. Auch nach Ausscheidung des für die Störung verantwortlichen Fremdstoffes bleibt die Schädigung bestehen. Folgeschädigungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, das sich ein Krebs manifestiert. Da im Prinzip bereits ein Molekül des Fremdstoffes Krebs auslösen kann, können für solche Substanzen keine toxikologisch begründeten Unbedenklichkeitswerte angegeben werden. Richtwerte für Wasser und Boden orientieren sich für diese Substanzen an einem „tolerablen“ zusätzlichen Krebsrisiko von 1 : 1 Million.

Viele Fremdstoffe rufen reversible, akute toxische Wirkungen hervor, die nach Elimination des Fremdstoffes abklingen. Die Konzentration des Fremdstoffes im Zielorgan bestimmt die Stärke der toxischen Wirkung: hohe Konzentrationen rufen starke toxische Wirkungen am Wirkort hervor, niedrige Konzentrationen geringe. Für diese Substanzen können toxikologisch begründete Konzentrationen ermittelt werden, die keinen Effekt mehr hervorrufen.



4 Literatur

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Allgemeine Toxikologie

Thieme-Verlag, Stuttgart 1978

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Ökotoxikologie

Thieme-Verlag, Stuttgart 1997

Haas, R.:

Konzepte zur Untersuchung von Rüstungsaltlasten

Abfallwirtschaft in Forschung und Praxis, Band 55

Erich Schmidt Verlag, Berlin 1992

Hermanns, K., Walcha, H.:

Ökologische Altlasten in der kommunalen Praxis

Deutscher Gemeindeverlag W. Kohlhammer, Köln 1994

Holler, S., Schäfers, C., Sonnenberg, J.:

Umweltanalytik und Ökotoxikologie

Springer-Verlag, Berlin 1996

Korte, F.:

Lehrbuch der ökologischen Chemie

Thieme-Verlag, Stuttgart 1987

Leichnitz, K.:

Prüfröhrchen-Taschenbuch

Selbstverlag 1988

Martinetz, D., Rippen, G.:

Handbuch Rüstungsaltlasten

Ecomed-Verlag, Landsberg 1996

Müller, R.K., Lohs, Kh.:

Toxikologie

G. Fischer-Verlag, Stuttgart 1992

Naumer, H., Heller, W.:

Untersuchungsmethoden in der Chemie

Thieme-Verlag, Stuttgart1990

Parlar, H., Angerhöfer, D.:

Chemische Ökotoxikologie

Springer-Verlag, Berlin 1991

Schwedt, G.:

Taschenatlas der Analytik

Thieme-Verlag, Stuttgart 1992


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