Büro für Altlastenerkundung und Umweltforschung

Dr. Rainer Haas

Stadtwaldstr. 45a, D-35037 Marburg, Tel.: 06421/93084, Fax: 06421/93073

email: haasr@gmx.net




Analytik von Umwandlungsprodukten des Schwefellosts (S-LOST)



Rainer Haas1, Torsten C. Schmidt2



1: Büro für Altlastenerkundung und Umweltforschung, Stadtwaldstraße 45a, D-35037 Marburg

2: Fachbereich Chemie der Philipps-Universität Marburg, Hans-Meerwein-Straße, D-35032 Marburg



Zusammenfassung

Schwefellost (2,2'-Dichlordiethylsulfid) wird unter Umweltbedingungen zu verschiedenen Substanzen umgesetzt. Die chemisch-analytische Erfassung der wichtigen Umsetzungsprodukte Thiodiglycol, Thiodiglycolsulfon und 1,4-Dithian gelingt gaschromatographisch mit Elektroneneinfangdetektor und mit HPLC/Diodenarraydetektion. Die Methoden und erreichbaren Nachweisgrenzen werden dargestellt.



Schlagwörter: Chemische Kampfstoffe, Blaukreuzkampfstoffe, Arsenverbindungen, Phenylarsinverbindungen, S-LOST, Rüstungsaltlasten, Analytik



Summary

Sulfur mustard (bis(2-chloroethyl)sulfide) reacts to several metabolites under environmental conditions. The analytical measurement of the most important metabolites thiodiglycol, thiodiglycolsulfon and 1,4-dithiane was achieved either with GC/ECD or with HPLC/diodearray detection. The methods and detection limits are described.

Key words: chemical warfare agents, sternutators, phenylarsenic compounds, S-LOST, munition plants, analysis



1 Einleitung

Schwefellost (2,2'-Dichlordiethylsulfid) wurde erstmals 1822 von DESPRETZ synthetisiert. NIEMANN beschrieb 1860 die starke hautschädigende Wirkung von S-LOST [1]. Im ersten Weltkrieg wurden in Deutschland für die chemische Kriegsführung insgesamt 7.659 t S-LOST produziert. Während des zweiten Weltkrieges wurden insgesamt 25.228 t S-LOST produziert und gelagert, darunter 6.168 t Winterlost [2].

Diesem sog. "Winterlost" wurden zur Gefrierpunktserniedrigung u.a. Phenylarsindichlorid bzw. Arsinöl, eine technische Mischung aus Arsentrichlorid, Phenylarsindichlorid, Diphenylarsinchlorid und Triphenylarsin, zugeschlagen. An Standorten, an denen LOST produziert, laboriert oder nach Ende des zweiten Weltkrieges vernichtet wurde, ist mit S-LOST und dessen Umwandlungsprodukten zu rechnen [1]. Bei Laborierung von Winterlost können als zusätzliche Kontaminanten Phenylarsinverbindungen vorhanden sein. Mit den dargestellten analytischen Untersuchungsmethoden werden die S-LOST-Umwandlungsprodukte von den o.g. Phenylarsinverbindungen getrennt.



2 Umweltrelevante chemische Reaktionen

Im gelösten Zustand unterliegt S-LOST einer schnellen Hydrolyse zu Bis(2-hydroxyethyl)-sulfid (Thiodiglycol) über die Zwischenstufe 2-Chlor-2'-hydroxydiethylsulfid. Innerhalb von 2 Stunden sind 99% des S-LOST hydrolysiert. Durch Oxidation, z.B. bei einer Entgiftung mit Chlorkalk, entsteht Bis(2-hydroxyethyl)-sulfon (Thiodiglycolsulfon). In wäßrigen Sulfidlösungen wird das cyclische 1,4-Dithian gebildet [1,3,4].

Diese Reaktionen verlaufen jedoch nur quantitativ, wenn das S-LOST in gelöster Form vorliegt. Ein Lostklumpen wird zunächst schnell an der Oberfläche hydrolysiert, die Reaktionsprodukte bilden jedoch mit vorhandenen Verunreinigungen eine polymere dritte Phase, durch die das im Kern vorliegende S-LOST unzersetzt konserviert wird [1,3,4]. In Abb. 1 sind die Strukturformeln von S-LOST und der beschriebenen Umwandlungsprodukte dargestellt.



Abb. 1: Strukturformeln von 2,2'-Dichlordiethylsulfid (S-LOST), Bis(2-hydroxyethyl)-sulfid, Bis(2-hydroxyethyl)-sulfon und 1,4-Dithian



3 Analytik von S-Lost-Umwandlungsprodukten

Es wurden Stammlösungen der Konzentration 10 mg/ml von 1,4-Dithian (in Aceton), Thiodiglycol (in Methanol) und Thiodiglycolsulfon (in Wasser) angesetzt. Für die chemisch-analytischen Untersuchungen wurden die Meßlösungen in Methanol erstellt. Die Untersuchungen wurden mit Gaschromatographie und HPLC durchgeführt. Zur quantitativen Bestimmung von evtl. noch vorhandenem S-LOST wird dieses in Lösung hydrolysiert und als Thiodiglycol bestimmt.

Die gaschromatographischen Untersuchungen wurden unter folgenden Bedingungen durchgeführt:

Säule: DB5-Kapillarsäule, Länge 30 m, Durchmesser 0,25 mm, Filmdicke 0,25 µm; Temperaturprogramm: Anfangstemperatur: 100°C, 10°C/min bis 230°C (7 min); Detektortemperatur: 300°C; Injektortemperatur: 250°C; Injektionsvolumen: 1 µl; Detektor: ECD.

Phenylarsinverbindungen werden mit GC/ECD nicht detektiert. Diphenylarsinchlorid (in methanolischer Lösung als Diphenylarsinmethylether) und Triphenylarsin stören die Bestimmung nicht, da diese Verbindungen später eluiert werden als die S-LOST-Umwandlungsprodukte.

Mit den o.g. chromatographischen Bedingungen können die S-LOST-Umwandlungsprodukte getrennt und quantitativ bestimmt werden. Die Retentionszeiten und Nachweisgrenzen sind in Tab. 1 dargestellt.



Tab. 1: Gaschromatographische Bestimmung der S-LOST-Umwandlungsprodukte


Substanz

Rt(min)

NWG(ng abs)

1,4-Dithian

4,42

5

Thiodiglycol

5,58

2

Thiodiglycolsulfon

9,55

5



Rt(min): Retentionszeit in Minuten

NWG(ng abs): absolute Nachweisgrenze in ng



Die HPLC-Trennung der drei S-LOST-Umwandlungsprodukte sowie von Phenylarsinoxid und Diphenylarsinverbindungen (als Diphenylarsinmethylether) wird mit einer RP 18 Nucleosil 120-Säule, Länge 250 mm, Durchmesser 3 mm, Partikelgröße 5 µm durch einen linearen Gradienten von 50% Methanol/50% Wasser (v/v) auf 90% Methanol/10% Wasser (v/v) in 40 Minuten erreicht. Das Injektionsvolumen betrug 20 µl. Die Retentionszeiten und Nachweisgrenzen sind in Tab. 2 dargestellt. Abb. 2 zeigt ein HPLC-Chromatogramm der getrennten Standardsubstanzen.

Entfällt eine Untersuchung auf Diphenylarsinverbindungen, ist eine isokratische Trennung der vier Substanzen mit 50% Methanol/50% Wasser (v/v) in 15 Minuten möglich.

Die Detektion der Verbindungen erfolgte über einen Diodenarraydetektor im Wellenlängenbereich von 200-400 nm. Zur quantitativen Bestimmung wird als Meßwellenlänge 210 nm gewählt, da die Analyten fast stetig abfallende Extinktionskoeffizienten bei zunehmender Wellenlänge aufweisen. Die einzige Ausnahme stellt Thiodiglycol dar, das eine starke Absorptionsbande bei 266 nm besitzt. Da Thiodiglycol sehr früh eluiert wird und daher Störungen durch gleichzeitig eluierte Matrixbestandteile am wahrscheinlichsten sind, sollte diese Wellenlänge zur Quantifizierung von Thiodiglycol gewählt werden.



Tab. 2: HPLC-Bestimmung der S-LOST-Umwandlungsprodukte


Substanz

Rt(min)

NWG(ng abs)

1,4-Dithian

11,71

25

Thiodiglycol

2,99

20 (210 nm)

Thiodiglycol

2.99

3 (266 nm)

Thiodiglycolsulfon

5,47

550



Rt(min): Retentionszeit in Minuten

NWG(ng abs): absolute Nachweisgrenze in ng



Abb. 2: HPLC-Chromatogramm der getrennten Standardsubstanzen; 1: Thiodiglycol, 1,5 µg abs.; 2: Thiodiglycolsulfon, 1,5 µg abs.; 3: Phenylarsinoxid, 0,75 µg abs.; 4: Dithian, 1,5 µg abs.; 5: Diphenylarsinmethylether, 0,75 µg abs.; Meßwellenänge: 210 nm



4 Literatur

1) Martinetz, D.:
Rüstungsaltlast S-Lost
Terra-Tech 2 (1993), 40-44

2) Hahn, F.:
Waffen und Geheimwaffen des deutschen Heeres 1939-1945, Band 1
Koblenz 1986

3) Lohs, Kh.:
Schwefel-Lost (2,2'-Dichlordiethylsulfid) - noch immer toxikologisch aktuell
Z. ärztl. Fortbild. 87 (1993), 659-664

4) Franke, S.:
Lehrbuch der Militärchemie, Band 1
2. Auflage, Berlin-Ost 1977




Grundlage dieses Beitrages ist folgende Publikation:

R. Haas, T.C. Schmidt:

Analytik von Umwandlungsprodukten des Schwefellosts (S-Lost)

UWSF-Z. Umweltchem. Ökotox. 8 (1996), 241 - 242



Herausgeber von UWSF-Z. Umweltchem. Ökotox. ist der ecomed-Verlag, Rudolf-Diesel-Str. 3, D-8689 Landsberg (http://www.ecomed.de/journals.htm)



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