Büro für Altlastenerkundung und Umweltforschung

Dr. Rainer Haas

Stadtwaldstr. 45a, D-35037 Marburg, Tel.: 06421/93084, Fax: 06421/93073

email: haasr@gmx.net




Enzymatischer Abbau von Arsenkampfstoffen

Dr. Rainer Haas1, Dr. Katrin Scheibner2, Dr. Martin Hofrichter3, Dipl. Ing. Alfred Krippendorf3

1: Büro für Altlastenerkundung und Umweltforschung, Stadtwaldstr. 45a, D-35037 Marburg

2: Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Mikrobiologie, Philosophenweg 12, D-07743 Jena

3: Hazard Control GmbH, Versuchsfeld Trauen, D-29328 Faßberg
 

1 Einleitung

Einige organische Arsenverbindungen, insbesondere Phenylarsin-Verbindungen, zu denen auch die chemischen Kampfstoffe Diphenylarsinchlorid, Diphenylarsincyanid und Phenylarsindichlorid gehören, sind in der Umwelt persistent. Noch heute, mehr als 50 Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges, werden diese chemischen Kampfstoffe bzw. ihre Umwandlungsprodukte im Einflußbereich ehemaliger Produktions- und Verarbeitungsbetriebe im Boden und im Grundwasser nachgewiesen.

Die USA und die ehemalige Sowjetunion verfügen über erhebliche Lagerbestände (jeweils einige tausend Tonnen) an chemischer Kampfstoffmunition, die als Kampfstoffkomponente Chlorvinylarsin-Verbindungen (Lewisite) enthält. Gemäß dem ratifizierten Chemiewaffen-Abkommen müssen diese Lagerbestände bis zum Jahr 2003 vernichtet werden.

Mit dem dargestellten enzymatischen Abbau von Arsenkampfstoffen mittels Mangan-Peroxidase steht ein sanftes Sanierungsverfahren zur Verfügung.


2 Ligninabbau durch Weißfäulepilze

Aufgrund ihrer ubiquitären Verbreitung und der außerordentlichen Leistungsfähigkeit beim Abbau aromatischer Makromoleküle gelangen streu- und holzabbauende Weißfäulepilze immer mehr in den Mittelpunkt der Entwicklung innovativer, biotechnologischer und umweltschonender Verfahren und Technologien.

Seit über zwei Jahrzehnten untersuchen Mikrobiologie, Biotechnologie und Biochemie intensiv den Abbau des Holzinhaltsoffes Lignin durch Mikroorganismen. Nach Zellulose ist Lignin die häufigste Kohlenstoffverbindung auf der Erde und wird als Festigungssubstanz der Zellwände von allen höheren Pflanzen gebildet. Aufgrund seiner heterogenen Polymerstruktur, die sich aus der unterschiedlichen Verknüpfung von Phenylpropankörpern ergibt, ist Lignin im Vergleich zu anderen polymeren Naturstoffen (z.B. Zellulose, Stärke) sehr resistent gegenüber einem mikrobiellen Angriff. Letzterer muß extrazellulär erfolgen, da eine Aufnahme des Lignins in die Zelle aufgrund des Molekulargewichts (ca. 1000 kDa) nicht möglich ist. Im Verlauf der Evolution ist nur eine Gruppe von Mikroorganismen entstanden, die in der Lage ist, Lignin im Holz effektiv abzubauen. Es handelt sich dabei um die Weißfäulepilze, die taxonomisch gesehen zu den Basidiomyceten (Ständerpilze) gehören. Die Weißfäulepilze besitzen ein einzigartiges Enzymsystem, das außerhalb der Zelle (extrazellulär) wirksam ist und unspezifisch die aromatischen Strukturen des Lignins angreift. Die wichtigsten Komponenten des ligninolytischen Systems sind Peroxidasen (Mangan-Peroxidase, Lignin-Peroxidase) und Polyphenoloxidasen (Laccasen). Beide Enzymgruppen sind in der Lage, über Ein-Elektron-Transfer-Reaktionen, aus aromatischen Molekülen Radikale zu erzeugen. Dies hat die Destabilisierung des gesamten Ligninmoleküls zur Folge und führt über spontane Folgereaktionen zur Spaltung verschiedener chemischen Bindungen und damit zur Depolymerisation des Lignins. Die entstandenen niedermolekularen Ligninfragmente können durch die Pilze selbst oder durch andere Mikroorganismen aufgenommen und weiter metabolisiert werden.

Neben der Isolierung und Charakterisierung neuartiger Mangan-Peroxidasen (MnP) konnte erstmals die zellfreie Mineralisierung von aromatischen und makromeren Strukturen nachgewiesen werden [1,2]. Dieses Prinzip der direkten „enzymatischen Verbrennung“ mittels Mangan-Peroxidase-Katalyse wurde zum Patent angemeldet [3].


3 Abbaumechanismus des MnP-Systems

Es konnte gezeigt werden, daß die Mangan-Peroxidase eines der leistungsfähigsten extrazellulären Pilzenzyme ist. Unter Verwendung dieses Enzyms gelang es in unserer Arbeitsgruppe erstmalig hochmolekulare Kohlebestandteile sowie synthetische Huminstoffe in einem zellfreien System unter Bildung von niedermolekularen Produkten zu depolymerisieren [4,5]. Untersuchungen zum Abbau von nativem und synthetischen Ligninen ergaben, daß die Mangan-Peroxidase eine entscheidende Enzymkomponente des Holzabbaus ist. Dabei wurde erstmals auch die zellfreie Mineralisierung von nativen Lignin nachgewiesen [6].

Das zugrundeliegende Prinzip der enzymatischen „Verbrennung" durch das MnP-System, ein postulierter hochreaktiver Komplex aus Mn(III)-Ionen, Thiylradikalen und chelatisierenden Dicarbonsäuren (Malonat), konnte auf verschiedene Umweltschadstoffe übertragen werden (u.a. Polycyclische Aromatische Kohlenwasserstoffe, Chloraromaten, z.B. PCP; Nitroaromaten, z.B. Trinitrotoluol und seine Reduktionsprodukte (Abbildung 1) [1,7,8]. Dabei gelang es weiterhin durch Zusatz geeigneter Mediatoren (Thiole), die Oxidation von aromatischen Substraten (einschließlich Lignin) durch Mangan-Peroxidasen zu beschleunigen und das Substratspektrum zu erweitern (z.B. Oxidation nichtphenolischer Ligninmodellverbindungen) [9].

Es zeigte sich, daß der Abbau von chlorierten Phenolen (z.B. Pentachlorphenol), polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (z.B. Pyren) sowie aromatischen Aminosäuren durch das MnP-System partiell zu 14CO2 und polaren, nicht aromatischen Reaktionsprodukten führt [1,7,10].

Inwieweit das Prinzip der MnP-katalysierten enzymatischen „Verbrennung“ auch unter natürlichen Bedingungen von Bedeutung ist und möglicherweise einen signifikanten Beitrag zur CO2-Bildung, z.B. in lignozellulosereichen Böden leistet, muß in künftigen Forschungen geklärt werden.

Die Mangan(II)-Peroxidasen (E.C. 1.11.1.13; Mn(II): H2O2 oxidoreductases) sind O- und N-glykosylierte Enzyme mit einem Eisen-Protoporphyrin-IX-Ringsystem im aktiven Zentrum. Sie sind hochspezifische Enzyme, die Mn(II)-Ionen zu Mn(III)-Ionen oxidieren. Ihre Fähigkeit eine große Zahl von Reaktionen zu katalysieren, beruht auf der extrem hohen Oxidationskraft dieser primär gebildeten Mn(III)-Ionen. Als Substrate kommen Verbindungen mit einem Redoxpotential E½ bis zu 1,12 V in Frage. Das katalytische Vermögen der Mn(III)-Ionen läßt sich durch den Einsatz sekundärer Mediatoren verstärken.

Von großer Bedeutung ist, daß Thiole wie Glutathion (GSH) zwar einen deutlich stimulierenden Effekt auf die CO2-Bildung haben, letztlich aber nicht unbedingt notwendig für den Mineralisierungsprozeß sind.

Peroxidasen, einschließlich der MnP, oxidieren Thiole zu Thiyl-Radikalen. Es wird davon ausgegangen, daß diese gemeinsam mit Mn(III)-Ionen hochreaktive Chelatkomplexe bilden (GSH-Mn3+/Mn2+-Thiyl-Radikal [GS·]).

Bezugnehmend auf die Ergebnisse zum enzymatischen Abbau von 2-Amino-4,6-dinitrotoluol [7,10,11] und die vorliegende Literatur wird angenommen, daß hochreaktive Mangan-Glutathion-Chelatkomplexe (zusätzlich stabilisiert durch Dicarbonsäuren wie Malonat) als ultimatives Oxidans die Oxidation von UR-14C-2-AmDNT unter Bildung von Ringspaltungsprodukten bewirken. Letztere werden dann durch das MnP-System, ähnlich der Spaltung von Oxalat, über sukzessive Decarboxylierungsreaktionen bis zum 14CO2 abgebaut. Unterstützt wird diese Annahme durch die Beobachtung, daß bei positionsmarkiertem Glyoxalat die 14C-Carboxylgruppe nahezu vollständig zu 14CO2 umgesetzt wird, während das 14C-Aldehydgruppen-markierte Molekül im gleichen Zeitraum nur zu weniger als 10% mineralisiert wurde [1].

Ungeklärt ist allerdings noch die Frage, auf welche Weise der Sauerstoff in die Moleküle gelangt (z.B. in die Carboxylgruppen); möglicherweise sind dabei neben molekularen Sauerstoff (O2) auch dessen Radikale [Hydroxy-Radikale ·OH], Peroxy-Radikale [·OOR]) beteiligt [9].

Die Wirkung des MnP-Systems auf UR-14C-2-AmDNT weist im Ergebnis große Ähnlichkeit mit dem chemischen Abbau von TNT durch die Fentons-Reaktion auf. Über die Spaltung von H2O2 gebildete Hydroxyl-Radikale oxidierten in Wasser gelöstes TNT zu CO2 und niedermolekularen, organischen Säuren, von denen Oxalat als Endprodukt nachgewiesen wurde. Es muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß im Falle der enzymatischen Mineralisierung bereits eine ca. hundertfach geringere H2O2-Menge (im Gegensatz zur chemischen) ausreichend ist, um vergleichbare Umsätze zu katalysieren.

Es wird davon ausgegangen, daß es sich bei den Produkten der MnP um ein komplexes Gemisch von Säuren handelt. Diese Verbindungen verhalten sich chromatographisch ähnlich organischen Säuren wie Glyoxalat, Oxalat, Formiat, Malonat und Acetat. Zudem wird hierdurch die Annahme gestützt, daß Decarboxylierungsreaktionen den letzten Schritt im MnP-katalysierten Mineralisierungsprozeß bilden. In Abbildung 2 ist der postulierte Reaktionsmechanismus der direkten Mineralisierung von UR-14C-2-AmDNT durch die Mangan-Peroxidase dargestellt.



4 Abbau von Arsenkampfstoffen durch das MnP-System

4.1 Experimentelles

4.1.1 Versuchsdurchführung

Aufbauend auf die in Kap. 2 und 3 gewonnenen Erfahrungen wurden die enzymatischen Abbauversuche von Arsenkampfstoffen mit folgendem Reaktionsansatz in 4 ml-Vials durchgeführt:

* 1,6 ml Na-Malonat-Puffer (C = 100 mmol/l, mit HCl auf pH 4,5 eingestellt)

* 200 µl MnCl2 (C = 20 mmol/l)

* 20 µl Glutathion (C = 100 mmol/l)

* 100 µl Mangan-Peroxidase (MnP) (Stammlösung: 59 U/ml) sowie

* 50-100 µl Stammlösung der Arsenkampfstoffe in Aceton; Konzentrationen in der Reaktionslösung: 34-250 µg/ml, dies entspricht einer Konzentration von ca. 0,2-1 mmol/l.

Die Vials wurden verschlossen und bei einer Raumtemperatur von 20°C verwahrt. Jede Versuchsreihe mit jeweils einer Substanz, wurde mit drei Reaktionsansätzen sowie einer Kontrolle (alle Reagenzien außer Mangan-Peroxidase) durchgeführt. Die Abbauergebnisse wurden in Bezug auf die gleichbehandelte Kontrolle berechnet.


4.1.2 Probenaufbereitung und Derivatisierung

Die Ausgangssubstanzen sind in der Reaktionslösung und in den Kontrollen nicht mehr nachweisbar, da alle untersuchten Arsenkampfstoffe, mit Ausnahme von Trichlortrivinylarsin, sowohl mit Wasser als auch mit Glutathion zu gaschromatographisch nicht detektierbaren Umwandlungsprodukten reagieren (eigene Untersuchungen, z.T. nicht publiziert) [12]. Dies sind jedoch keine Entgiftungsreaktionen, da unter geeigneten Milieubedingungen die Ausgangsstoffe wieder entstehen können.

Alle physiologisch relevanten Umwandlungsprodukte, die toxische Wirkung der Arsenkampfstoffe beruht auf der Blockade von Enzymen und Proteinen durch Bindung des Arsens an den Schwefel von Cystein-Gruppen, reagieren mit Thiolen (organische Monochlor-Arsen-Verbindungen) zu Thioether bzw. mit Dithiolen (organische Dichlor-Arsen-Verbindungen) zu stabilen cyclischen Verbindungen. Diese sind stabiler als die jeweiligen Cystein- bzw. Glutathion-Komplexe. Werden Thiol-Derivate nicht nachgewiesen, sind auch keine physiologisch relevanten Umwandlungsprodukte der Arsenkampfstoffe mehr vorhanden.

Für analytische Untersuchungen wurden nach Reaktionszeiten von 30 min bis 120 h Teilproben von 250 µl bzw. 500 µl entnommen. Zur Derivatisierung wurden zu den entnommenen Teilproben 20 µl Thiol (Ethanthiol, Propanthiol, Ethandithiol bzw. Propandithiol, 10%ige Lösungen in Aceton) dotiert und die Teilproben 15 min geschüttelt. Anschließend wurden die Proben durch 15 min Schütteln mit 1 ml Methyl-t-butylether extrahiert.



4.1.3 Chemisch-analytische Untersuchungsmethoden

Die Untersuchungen der Etherextrakte zur quantitativen Bestimmung der Abbauraten wurden gaschromatographisch unter folgenden Bedingungen durchgeführt: Säule: DB 5, Länge 30 m, Durchmesser 0,25 mm, Filmdicke 0,25 µm; Trägergas: Stickstoff; Injektortemperatur: 250°C; Detektortemperatur: 300°C; Detektor: ECD.

Zur Trennung der Thiol- und Dithiol-Derivate der Arsenkampfstoffe wurde folgendes Säulentemperaturprogramm gewählt: Ausgangstemperatur: 100°C (1 min), 10°C/min bis 230°C, 230°C (6 min) [13,14 sowie dort zitierte weitere Literatur].

Die Bestimmung der Abbaurate von Diphenylamin konnte direkt mit HPLC aus der Reaktionslösung durchgeführt werden, da keine Derivatisierung notwendig war.

Die Ausgangskonzentrationen an Arsenkampfstoffe wurden so gewählt, daß sie mindestens bei dem 100fachen der analytischen Nachweisgrenze lagen.

Zur Absicherung der Ergebnisse wurden je ein Reaktions- und ein Kontrollansatz der untersuchten chemischen Kampfstoffe mit gekoppelter Gaschromatographie/Massenspektrometrie (GC/MS) sowie mit Gaschromatographie/Atomemissionsdetektor (GC/AED) untersucht.



4.2 Ergebnisse

Folgende Arsenkampfstoffe wurden mit Mangan-Peroxidase umgesetzt: Ethylarsindichlorid (DICK), 2-Chlorvinylarsindichlorid (LEWISIT I), 2,2'-Dichlordivinylarsinchlorid (LEWISIT II), 2,2',2''-Trichlortrivinylarsin (LEWISIT III), Diphenylarsinchlorid (CLARK I), Phenylarsindichlorid (PFIFFIKUS) sowie Diphenylamin. Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt.

Tabelle 1: Reduktionsraten der Arsenkampfstoffe nach MnP-Behandlung

Substanz

Reaktionszeit

Reduktionsrate / %

DICK

2 h

95,2

LEWISIT I

30 min

98,8

LEWISIT II

30 min

99,5

LEWISIT III

1 h

97,1

PFIFFIKUS

120 h

91,0

CLARK I

6 h.. 24 h

91,1.. 100

Diphenylamin

6,5 h

96,0



Alle untersuchten Arsenkampfstoffe sowie Diphenylamin zeigen gegenüber der Kontrolle eine deutliche Reduktion in Gegenwart von Mangan-Peroxidase. Reduktionsraten von mehr als 90% der eingesetzten Ausgangskonzentration werden für die Ethyl- und Chlorvinylarsinverbindungen in 30 min bis 2 Stunden, für die Phenylarsinverbindungen in 120 Stunden (Phenylarsindichlorid) bzw. 24 Stunden (Diphenylarsinchlorid) sowie für Diphenylamin in 6 h erreicht.

Exemplarisch ist in Abbildung 3 der Abbau von CLARK I, in Abbildung 4 der Abbau von Diphenylamin mittels Mangan-Peroxidase dargestellt.

Abb. 3: Überlagerte Gaschromatogramme des Abbaus von CLARK I mit MnP; 1: Kontrolle; 2: Reaktionslösung nach 8h; 3: Reaktionslösung nach 24h; 4: Reaktionslösung nach 48h

Abb. 4: Überlagerte HPLC-Chromatogramme des Abbaus von Diphenylamin mit MnP; 1: Kontrolle; 2: Reaktionslösung nach 30 min; 3: Reaktionslösung nach 3h; 4: Reaktionslösung nach 5,5h

Mit GC/MS und mit GC/AED konnten in den mit MnP behandelten Reaktionsansätzen mit Ausnahme von Resten noch nicht abgebautem Ausgangsprodukt keine weiteren arsenorganischen Verbindungen identifiziert werden. Durch die angewandte Derivatisierung wären evtl. im Reaktionsansatz entstandene, nicht extrahierbare organische Arsenverbindungen zu extrahierbaren und gaschromatographisch identifizierbaren Thiol-Derivaten umgesetzt worden.

Offensichtlich werden durch das Mangan-Peroxidase-System organische Gruppen irreversibel vom Arsen abgespalten. Eine weitere Umsetzung der organischen Reste (Vinylchlorid, Benzol) wurde nicht verfolgt. Eine Umsetzung der organischen Reste findet aber erst nach Abspaltung vom Arsen statt, da in den Reaktionslösungen keine organischen Arsenverbindungen mit fragmentierten organischen Resten gefunden wurden. Auch von Diphenylamin werden beide Phenylreste offensichtlich am Stickstoff abgespalten. Anilin als potentielles Spaltprodukt wurde nicht gefunden.

Als toxischer Reststoff verbleibt nach der Behandlung arsenorganischer Kampfstoffe mit Mangan-Peroxidase anorganisches Arsen, die Kampfstoffeigenschaften werden irreversibel beseitigt.

Das Verfahren wurde zum Patent angemeldet [15].



5 Sanierung von Kampfstoffaltlasten durch enzymatischen Abbau

Der enzymatische Abbau chemischer Kampfstoffe besitzt gegenüber herkömmlichen Sanierungsverfahren entscheidende Vorteile:

* Außer HCl, welches zur pH-Wert-Einstellung des Malonat-Puffers benötigt wird, werden nur nicht-toxische Chemikalien (Mangan(II)chlorid, Malonat, Glutathion und Mangan-Peroxidase) eingesetzt, die in der Umwelt natürlich vorkommen bzw. im Boden leicht mikrobiell abgebaut werden. Beim Handling mit den Dekontaminationschemikalien sind keine besonderen Arbeitsschutzmaßnahmen erforderlich, weder bei einer Havarie noch nach der Entgiftung chemischer Kampfstoffe gelangen zusätzlich toxische Substanzen in die Umwelt.

* Die enzymatische Methode ist von biologischen Systemen entkoppelt. Sie nutzt die Vorteile biologischer Systeme, eine Vergiftung von Organismen durch toxische Substanzen ist jedoch, im Gegensatz zu biologischen Systemen, nicht möglich. Dies ist besonders für Arsenkampfstoffe relevant, da Bodenkontaminationen mit Produktionsrückständen und Rückständen alter Munition häufig weitere toxische Substanzen wie anorganisches Arsen, Explosivstoffe und Dioxine enthalten, die eine potentielle biologische Sanierung unmöglich machen.

* Es wurde der Nachweis erbracht, daß die persistentesten organischen Arsenverbindungen, Phenylarsindichlorid und Diphenylarsinchlorid, enzymatisch abgebaut werden. Weitere organische Arsenverbindungen konnten als Abbauprodukte analytisch nicht nachgewiesen werden. Die eingesetzte analytische Methode, gaschromatographische Bestimmung von organischen Arsenverbindungen nach Derivatisierung mit Thiolen, erfaßt alle potentiell toxikologisch relevanten Abbauprodukte der Arsenkampfstoffe [13,14].

Da Phenylarsinverbindungen enzymatisch abgebaut werden können, ist die Methode zum Abbau sämtlicher organischer Arsenverbindungen geeignet.

* Neben den chemischen Kampfstoffen werden auch weitere umweltrelevante Schadstoffe mit dem Manganperoxidase-System enzymatisch abgebaut. Dies wurde für Explosivstoffe aus der Gruppe der Nitroaromaten nachgewiesen (s. Kap. 3).

Das dargestellte MnP-Verfahren kann somit auch bei Bodenkontaminationen mit weiteren umweltrelevanten Schadstoffen eingesetzt werden. Fremdstoffe können unter milden Reaktionsbedingungen im Abwasser, in suspendierter Bodenlösung und im Boden abgereinigt werden. Eine Kopplung mit bereits bestehenden Bodenwaschanlagen oder z.B. mit Aktivkohlefilteranlagen ist möglich. Das vorgestellte Verfahren stellt eine sanfte Alternative zu herkömmlichen Sanierungsverfahren dar.



6 Literatur

[1] Hofrichter, M., Scheibner, K., Schneegaß, I., Fritsche, W. (1998): Enzymatic combustion of aromatic and aliphatic compounds by manganese peroxidase. Appl. Environ. Microbiol. 64, 399-404

[2] Hofrichter, M., Scheibner, K.,. Schneegaß, I., Ziegenhagen, D., Fritsche, W. (1998): Minerali-zation of synthetic humic substances by manganese peroxidase from the white-rot fungus Nematoloma frowardii. Appl. Microbiol. Biotechnol. 49, 584-588

[3] Hofrichter, M., Scheibner, K. (1997): Verfahren zur Mineralisierung nieder- und hochmolekularer aromatischer Substanzen und Substanzgemsiche. Deutsches Patentamt (Aktenzeichen 197 08 670.5), angemeldet 5. März 1997

[4] Hofrichter, M., Fritsche, W. (1997): Depolymerization of low-rank coal by extracellular fungal enzym-systems. II. The ligninolytic enzymes of the coal humic acid depolymerizing fungus Nematoloma frowardii b19. Appl. Microbiol. Biotechnol. 47, 419-424

[5] Hofrichter, M., Fritsche, W. (1997). Depolymerization of low-rank coal by extra-cellular fungal enzym-systems. III. In-vitro depolymerization of coal humic acids by a crude preparartion of manganeseperoxidase of the white-rot fungus Nematoloma frowardii b19. Appl. Microbiol. Biotechnol. 47, 566-571

[6] Hofrichter, M., Scheibner, K., Bublitz, F., Schneegaß, I., Martens, R., Fritsche, W. (1998): Depolymerization of straw lignin by manganese peroxidase from Nematoloma frowardii is accompanied by release of carbon dioxide. Holzforschung, in press

[7] Scheibner, K. (1998): Abbau von 2,4,6-Trinitrotoluol durch Pilze unter besonderer Berücksichtigung ligninolytischer Basidiomyceten und des Mangan-Peroxidase-Systems. Dissertation. Biologisch-Pharmazeutischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena

[8] Sack, U., Hofrichter, M., Fritsche, W. (1997): Degradation of PAHs by manganese peroxidase of Nematoloma frowardii. FEMS Microbiol. Lett. 152, 227-234

[9] Hofrichter, M., Vares, K., Scheibner, K., Galkin, S., Sipilä, J., Hatakka, A. (1998): Mineralization and solubilization of synthetic lignin (DHP) by manganese peroxidase from Nematoloma frowardii and Phlebia radiata. J. of Biotech., accepted

[10] Scheibner, K., Hofrichter, M., Fritsche, W. (1997): Mineralization of 2-amino-4,6-dinitrotoluene by manganese peroxidase of the white-rot fungus Nematoloma frowardii. Biotechnology Letters 9: 835-839

[11] Scheibner, K., Hofrichter, M. (1998): Conversion of aminonitrotoluenes by fungal manganese peroxidase. J. Basic Microbiol. 38, 63-71

[12] Haas, R. (1997): Blaukreuzkampfstoffe. Chemisches Verhalten und humantoxikologische Bedeutung von Diphenylarsinverbindungen. 2. Humantoxikologische Bedeutung. Umweltmed Forsch Prax 2, 11-16

[13] Haas, R.; Krippendorf, A.; Schmidt, T.C.; Steinbach, K.; v. Löw, E. (1998): Chemisch-analytische Untersuchung von Arsenkampfstoffen und ihren Metaboliten. UWSF - Z. Umweltchem. Ökotox. 10, im Druck

[14] Haas, R. Krippendorf, A. (1998): Chemisch-analytische Untersuchung von Arsenkampfstoffen. Poster und Manuskript. Fachtagung "Sanierung kontaminierter Böden", Munster 5.-7.10.1998

[15] Haas, R., Scheibner, K. (1998): Verfahren zum Abbau arsenorganischer Verbindungen. Patentanmeldung v. 16.6.1998, Deutsches Patentamt Az. 19826607.3



Hinweis: Abbildungen sind in diesem Text nicht enthalten.

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