Büro für Altlastenerkundung und Umweltforschung
Dr. Rainer Haas
Stadtwaldstr. 45a, D-35037 Marburg, Tel.: 06421/93084, Fax: 06421/93073
email: haasr@gmx.net
Sprengstoffrückstände in Boden und Grundwasser auf dem
Gebiet der ehemaligen Sprengstoffabriken in Stadt-
allendorf/Hessen
Rainer Haas, Johannes Preuß, Eberhard v. Löw und Gottfried Stork
Arbeitsgruppe "Umweltkontamination und Altlasten" an der
Philipps-Universität Marburg, Hans-Meerwein-Str., 3550
Marburg
Expertengespräch Rüstungsaltlasten
25./26. April 1989 in Hannover
Zusammenfassung
Im folgenden Beitrag wird ein Standort ehemaliger Sprengstoff-
produktion, Stadtallendorf, in seiner Entwicklung und Proble-
matik geschildert. Die bei der TNT-Produktion und Verarbei-
tung entstehenden Nebenprodukte werden dargestellt. Daraus
wird erkennbar, daß in den Rückständen des Abwassers und
der Neutralisation, die teils deponiert worden sind, komplexe
Stoffgemische auftreten, deren Untersuchung eine Herausfor-
derung für den analytischen Chemiker darstellt. Diese Stoffe
haben während der Produktionsphase der Werke die Emissions-
pfade Luft und Abwasser eingeschlagen und wurden im Boden
und oberflächennahen Untergrund akkumuliert.
Von dort wirken sie gemeinsam mit den Rückständen aus der
Delaborierung und Demontage als sekundäre Emissionen und
sind bis heute nachweisbar.
Diese Stoffe aus der ehemaligen Sprengstoffproduktion und
Verarbeitung werden auf der Basis einer historisch-genetischen
und funktionalen Analyse des Altstandortes mit einer
Kombination aus geowissenschaftlichen und chemisch-
analytischen Methoden im Gelände erfaßt. Die Mehrstufigkeit
dieser Untersuchungsprogramme erlaubt eine optimale
Anpassung an die jeweils gegebenen Situationen, insbesondere
auch die der heutigen Nutzung.
Als besonders erschwerend für die Bewertung, gleichzeitig
aber auch eine Chance für Sanierungsmaßnahmen, ist der
Umstand anzusehen, daß mikrobielle Metabolite von Dinitro-
toluolen und TNT nachgewiesen wurden.
Die Komplexität des Themas macht interdisziplinäre
Zusammenarbeit notwendig. Die Umsetzung der Ergebnisse sollte
in enger Zusammenarbeit mit Behörden und beteiligten
Praktikern erfolgen.
1 Einleitung
In Stadtallendorf wurden während des zweiten Weltkrieges zwei
Sprengstoffwerke betrieben. Das "Werk Allendorf" wurde von
der Dynamit-Aktien-Gesellschaft im Auftrag des OKH errichtet
und von deren 100 %igen Tochterfirma "GmbH zur Verwertung
chemischer Erzeugnisse", kurz "Verwert-Chemie", betrieben.
Insgesamt wurden in drei TNT-Produktionsketten (eine vierte
war bei Kriegsende unvollendet) ca. 125.000 t TNT produziert
und in zwei Granaten- und drei Bombenfüllstellen in Mischungen
mit weiteren Spreng- und Zuschlagsstoffen in Bomben und
Granaten verfüllt. Die bei der Produktion anfallende Abfallsäure
sowie Abfallsäure aus anderen Werken wurden in
Säureaufbereitungs- und Denitrierungsanlagen aufbereitet. Die
bei der Produktion und Säureaufbereitung anfallenden sauren
Abwässer wurden mit Kalk neutralisiert und die mit
Rückständen belasteten Neutralisationsschlämme auf einer Halde
(TRI-Halde) deponiert. Zur Brauchwasserversorgung beider
Werke wurden in der Peripherie des "Werkes Allendorf" 33
Tiefbrunnen niedergebracht.
Das "Werk Herrenwald" wurde von der WASAG betrieben.
Insgesamt wurden ca. 6.000 t des Marinesprengstoffes
Hexanitrodiphenylamin (HEXYL) produziert und in Mischungen
mit TNT und anderen Zuschlagsstoffen in Torpedos, Minen etc.
verfüllt.
Nach dem Krieg war Allendorf Sammelstelle für Munition aus
der amerikanischen Zone. In den Jahren 1947 bis 1949 wurden
im Auftrag der Alliierten ca. 20.000 t Munition delaboriert bzw.
gesprengt; Allendorf war einer der bedeutendsten
Delaborierungsstandorte in der amerikanischen Zone.
Zwischen 1968 und 1977 wurden das DAG-Gelände sowie die
nördlichen und westlichen Bereiche des WASAG-Geländes mit
Industrie- und Wohnbebauung versiegelt. Heute wohnen mehr
als 10.000 Menschen in den ehemaligen Sprengstoffabriken.
Stadtallendorf ist der größte Industriestandort des Landkreises
Marburg/Biedenkopf. Auf dem WASAG-Gelände befindet sich ein
Standort der Bundeswehr. Die zur Brauchwasserversorgung der
beiden Werke niedergebrachten Brunnen dienen heute der
Trinkwasserversorgung von ca. 250.000 Menschen im
mittelhessischen Raum.
Nachfolgend werden die bei der TNT-Produktion und
Verarbeitung anfallenden möglichen Nebenprodukte dargestellt.
2 Nebenprodukte der TNT-Produktion und Verarbeitung
2.1 Nitrierung
TNT wird durch dreistufige Nitrierung von Toluol hergestellt.
Im ersten Reaktionsschritt läßt man Toluol und Mischsäure (28%
HNO3, 56% H2SO4 und 16% H2O) im Verhältnis 1:2,5 in das
Nitratorgefäß einlaufen. Zur besseren Kontrolle der Temperatur
- die Mononitrierung ist der am stärksten exotherme
Reaktionsschritt - wird die Mononitrierung zweistufig durchge-
führt. Unter ständigem Rühren ist die Mononitrierung bei
30-40°C nach fünf bis sechs Stunden beendet. Es entsteht ein
Isomerengemisch der Zusammensetzung 57% o-Nitrotoluol, 40%
p-Nitrotoluol und 3% m-Nitrotoluol. Die abgeschiedene
Mononitrotoluolphase wird durch Waschen mit Wasser von
Säureresten befreit. Durch Waschen mit 1%iger Natronlauge
gehen die als Nebenprodukte entstandenen Nitrokresole als
Kresolate in die wässrige Phase über. Die Abfallsäure hat die
Zusammensetzung 70% H2SO4, 0,5% NO2 und 29,5% H2O.
Die Dinitrierung wird ebenfalls zweistufig durchgeführt. In
der ersten Stufe wird zu der ca. 30°C warmen Abfallsäure der
Trinitrierung mit der Zusammensetzung 80% H2SO4, 4-5% HNO3,
3-4% NO2 und 11-13% H2O Mononitrotoluol eingerührt. Die
Temperatur steigt zunächst auf 60-65°C an. Nach beendeter
Zugabe des Mononitrotoluols wird in der zweiten Stufe 60-70%ige
Salpetersäure bis zur Beendigung der Dinitrierung zugegeben.
Nach Verdünnen mit Wasser scheidet sich das Dinitrotoluol
von der Abfallsäure ab, die eine Zusammensetzung von 74%
H2SO4, 4% NO2 und 22% H2O besitzt. Außerdem enthält die
Abfallsäure ca. 0,2-0,3% Nitroverbindungen. Die Dinitrotoluole
liegen als Isomerengemisch der Zusammensetzung 78% 2,4-
Dinitrotoluol (aus o- und p-Nitrotoluol), 19% 2,6-Dinitrotoluol
(aus p-Nitrotoluol), 1,7% 3,4-Dinitrotoluol, 0,7% 2,3-Dinitrotoluol
und 0,6% 3,6-Dinitrotoluol (aus m-Nitrotoluol) vor.
Zur Trinitrierung wird das rohe Dinitrotoluolgemisch mit einer
Mischsäure der Zusammensetzung 24% HNO3, 70% H2SO4 und
6% SO3 im Verhältnis 1:2,5 in einem Nitratorgefäß 6 Stunden bei
ca. 80°C nitriert. Gegen Ende der Reaktion erhöht man die
Temperatur auf 96°C. Das rohe Trinitrotoluol, das sich nach
Erkalten von der Abfallsäure abscheidet, liegt als
Isomerengemisch der Zusammensetzung 95% 2,4,6-Trinitrotoluol
(aus 2,4- und 2,6-Dinitrotoluol), 3% 3,4,6-Trinitrotoluol, 1,5%
2,3,4-Trinitrotoluol und 0,5% 2,3,6-Trinitrotoluol vor. Ein
weiteres Nebenprodukt der Trinitrierung ist die
2,4,6-Trinitrobenzoesäure, aus der nach Decarboxilierung
1,3,5-Trinitrobenzol entsteht. Weiterhin kann nach Abspaltung
der Methylgruppe Tetranitromethan entstehen. Zur Entfernung
von Salpetersäure und nitrosen Gasen wird das rohe TNT
zunächst mit warmer, ca. 70%iger Schwefelsäure gewaschen. Die
asymmetrischen TNT-Isomeren werden dann durch eine Wäsche
mit 70°C heißer, 5 bis 20%iger Natriumsulfitlösung entfernt.
Diese Isomeren reagieren mit Sulfit in einer Substitutions-
reaktion unter Bildung von wasserlöslichen Dinitrotoluol-
sulfonsäuresalzen, während 2,4,6-Trinitrotoluol praktisch nicht
reagiert. Daneben können Nitroverbindungen zu aromatischen
Aminen bzw. Azoverbindungen reduziert werden, die für die
rote Farbe der TNT-Abwässer verantwortlich sind. Nicht ab-
reagierte Dinitrotoluole, besonders die m-Isomeren, werden von
Sulfit zu Nitrotoluolsulfonsäuren bzw. deren Salzen umgesetzt.
Bei der Reinigung von 1 kg TNT fällt ca. 1,6 l Abwasser an.
Dieses rote Abwasser enthält verschiedene Nitrokörper,
darunter etwa 3% 2,4,6-TNT und 4% Nitrosulfonsäuren (1,2).
2.2 Denitrierung
Die Abfallsäuren der Mono- und Dinitrierung sowie der ersten
Wäsche der Trinitrierung werden in den Säureaufbereitungs-
und Denitrierungsanlagen regeneriert. Die bei der Denitrierung
anfallende ca. 55%ige Salpetersäure wird auf 99%
aufkonzentriert. Die ebenfalls anfallende ca. 70%ige Schwefel-
säure wird aufkonzentriert und in der Spaltanlage in der
thermisch reduzierenden Flamme in Schwefeltrioxid und Wasser
gespalten. Das Schwefeltrioxid wird in der Absorptionsanlage
mit konzentrierter, ca. 96%iger Schwefelsäure zu Oleum
(rauchende Schwefelsäure, ca. 98%ig mit gelöstem
Schwefeltrioxid) verarbeitet. Die regenerierten Säuren werden
in Mischsäurestationen im richtigen Verhältnis gemischt und dem
Produktionsprozess zugeführt.
In Abb. 1 ist der Komplex Säureaufbereitung/Produktion
schematisch dargestellt (aus (3)), Abb. 2 zeigt die möglichen
Nebenprodukte der TNT-Produktion.
2.3 Abwasser und Neutralisation
Drei Arten von Abwasser sind von besonderer Bedeutung: die
Fabrikationswaschwässer, die Kondensate der Schwefelsäure-
konzentration und die Gebäudereinigungswässer.
Die Fabrikationswaschwässer der Monoreinigung enthalten
neben den drei Mononitrotoluolisomeren auch Nitrokresole.
Ebenso sind Di- und Trinitrokresole zu erwarten, da Kresole
leichter nitriert werden als Toluole. Die roten Abwässer der
TRI-Sulfitwäsche enthalten ca. 10% Nitrokörper. Dabei handelt
es sich neben den zu wasserlöslichen Dinitrotoluolsulfonsäure-
salzen umgesetzten asymmetrischen Trinitrotoluolen um Nitro-
toluolsulfonsäuresalze, gelöstes 2,4,6-Trinitrotoluol, nicht
abreagiertes Dinitrotoluol (Isomerengemisch) sowie um reduzierte
Nitroaromaten wie z.B. Nitrotoluidine und Diaminotoluole (aus
Dinitrotoluolen) oder Reduktionsprodukte des Trinitrotoluols,
z.B. Dinitroaminotoluole, Diaminonitrotoluole oder Tria-
minotoluole. Ebenfalls denkbar sind Reduktionsprodukte wie
Nitroaminosulfonsäuresalze.
Die Kondensate der Schwefelsäurekonzentration sind mit
Nitrokörpern aller drei Nitrierungsstufen verunreinigt, d.h. es
sind Isomere des Mono-, Di- und Trinitrotoluols zu erwarten.
Die Gebäudereinigungswässer der Füllstellen enthalten
2,4,6-TNT und andere Sprengstoffkomponenten, mit denen das
TNT vor Abfüllung gemischt wurde. Typische Komponenten sind
z.B. 1,3-Dinitrobenzol, Trimethylentrinitramin (Hexogen),
Ammoniumnitrat, Aluminiumpulver oder 2,2',4,4',6,6'-Hexa-
nitrodiphenylamin (Hexyl) (4).
Die sauren Abwässer werden in Neutralisationsanlagen mit
Ätzkalk (CaO als 5 bis 20%ige Kalkmilchlösung) neutralisiert.
Das neutralisierte Abwasser wird entweder direkt in den
Vorfluter eingeleitet, nachdem in Absetzbecken die festen
Neutralisationsrückstände abgetrennt worden sind, oder einer
zusätzlichen Abtrennung von Nitrokörpern mit Aktivkohle unter-
zogen. Die Neutralisationsschlämme enthalten ca. 70% Wasser und
werden in der Nähe der Neutralisationsanlagen abgelagert.
Bei der Neutralisation mit Ätzkalk werden die
Nitrosulfonsäuren als Calciumsalze ausgefällt, die reinen
Sulfonsäuren gelangen mit dem Abwasser in den Vorfluter.
Liegt bei der Neutralisation ein alkalisches Medium vor, können
Nitroderivate zu Stilbenen kondensieren.
Nachfolgend werden die wichtigsten Emissionspfade der
ehemaligen Werke betrachtet.
3 Emissionspfade
3.1 Emissionspfad Luft
Mit Emissionen in geringerem Umfang ist im Bereich der Mono-,
Di- und Trinitrierung über die Abluftwäschen zu rechnen.
TNT-Staubemissionen erfolgten aus dem Bereich der
TNT-Trocknungs- und Granulierungsgebäude, an den Pack-
häusern und Verladerampen, in den Sprengstofflagerbunkern
sowie beim Transport der etwa 2,5 Mio. Transportkisten a 50
kg.
Weitere Emissionen auf dem Luftpfad sind in den
Munitions-Füllstellen zu erwarten, besonders in den Schmelz-,
Misch- und Gießhäusern, den Lagergebäuden für flüssiges TNT
und bei den Arbeitsschritten "Stücken", "TNT-Aufguß" und
"Kühlhaus". An den Verarbeitungsorten von Dinitrobenzol-
Gemischen waren zusätzliche Absauganlagen installiert.
In den Granatenfüllstellen entstanden beträchtliche Mengen an
Sprengstoffstäuben beim Bohren und Reinigen der
Mundlochbuchsen für die Zünderladungen und Rauchentwickler.
Eine weitere Quelle von Emissionen waren die Dela-
borierungen, wo teils dünnwandige Bomben einfach zersägt und
ausgeräumt wurden. Überwiegend erfolgte die Delaborierung
aber über direkte und indirekte Ausdampfungsverfahren (5).
Die werkseigenen Kraftwerke, Säurekonzentrations- und
Denitrierungsbetriebe, insbesondere die Säurespaltanlage,
haben Emissionen auf dem Luftpfad verursacht, die hier aber
nicht näher betrachtet werden sollen.
3.2 Emissionspfad Abwasser
Wesentliche Belastungen des Bodens und oberflächennahen
Untergrundes erfolgt aus Abwasseranlagen wie Abscheider,
Kanalnetz, Klär- und Neutralisationsbecken sowie Einleitungen
in den Vorfluter.
Diese Einleitungen in den Vorfluter haben während des
zweiten Weltkrieges zu Fischsterben und Vergiftung ufernaher
Trinkwassergewinnungen geführt. Zumindest in einem Falle
(Trinkwassergewinnung der Stadt Marburg) könnten sie bis in
die heutige Zeit eine Rolle spielen, da in ufernahen
Flachbrunnen aromatische Amine nachgewiesen werden (8).
Einige Brunnen sind aus diesem Grund 1987 aus der Versorgung
genommen worden.
Nachgewiesen wurde, daß Sprengstoffrückstände aus den
warmen Abwässern mehr oder weniger konzentrisch an den
Innenwänden von Abwasserrohren auskristallisierten.
Exemplarisch wurde ferner nachgewiesen, daß die Abscheider an
den sprengstoffverarbeitenden Gebäuden nicht ausgeräumt
worden sind.
Ebenfalls den Wasserpfad haben Teile der Emissionen der
Delaborierungsbetriebe eingeschlagen. Auskristallisierte
Sprengstoffgemische wurden z.B. in großen Mengen in einer
Delaborierung aufgefunden (5).
Die Sprengungen im Verlauf der Entmilitarisierung haben das
Abwassernetz beschädigt, so daß vermutlich an zahlreichen
Stellen mit Emissionen aus den Rohrleitungen gerechnet werden
muß. Schluckbrunnen zur Verpressung von
Produktionsabwässern sind bisher in Stadtallendorf nicht
bekannt. Solche Schluckbrunnen sind in Clausthal-Zellerfeld
und Krümmel betrieben worden.
Diesen ehemaligen Emissionen des Werkes stehen heute die
Imissionsbereiche Boden und Grundwasser gegenüber.
4 Immisionsbereiche
4.1 Imissionsbereich Boden und oberflächennaher Untergrund
Die Bodenoberfläche in der Nähe der o.g. Gebäude ist durch
den Eintrag staubförmiger TNT- und Sprengstoffreste über den
Luftpfad kontaminiert. Ferner sind Schlammablagerungen aus
den Neutralisationsanlagen und Sprengstoffreste aufgefunden
worden.
Exemplarisch seien Sprengstoffunde bei den Packhäusern
(TNT-Staub), bei den TNT-Abluftwäschen (TNT-Staub und
Brocken), bei den TNT-Sulfitwäschen (TNT-Brocken und
Schlämme) sowie einigen Sprengstoffbunkern (TNT-Staub)
genannt. Die chemisch-analytische Untersuchung einer Probe
aus einem Sprengstoffbunker, der nachweislich in den 50er
Jahren mehrere Jahre als Lager genutzt wurde, hat gezeigt,
daß neben 141 mg TNT auch 22,4 mg 2,4-DNT sowie 6,0 mg
2,6-DNT nachgewiesen werden konnten, was die uns bereits
durch die Literatur bekannte Annahme stützt, daß gegen
Kriegsende zur Steigerung der Produktion auf die
TNT-Sulfitwäsche verzichtet wurde. Dies hat zur Folge, daß in
allen aufgefundenen Sprengstoffresten mit der Anwesenheit von
relativ schlagexplosiven asymmetrischen TNT-Isomeren gerechnet
werden muß.
Die o.g. Schlämme aus der TNT-Sulfitwäsche bestehen zu ca.
15% aus TNT (Gesamtmenge an TNT ca. 3.000 - 5.000 kg).
Die Oberfläche des Brandplatzes des DAG-Werkes ist mit
Sprengstoffbrocken und Verbrennungsrückständen
kontaminiert. Ebenfalls wurden polycyclische aromatische Koh-
lenwasserstoffe in erheblichen Konzentrationen nachgewiesen.
In der Nähe der Neutralisations- und Abwasserbecken sowie
den Neutralisationsschlammdeponien (TRI-Halde und andere)
sind teils beträchtliche Belastungen an Nitroaromaten
vorhanden, wobei z.T. ein komplexes Stoffgemisch nachgewiesen
worden ist.
Gravierend hat sich die Zerstörung der Werke nach dem Krieg
ausgewirkt, so daß heute auch mit unsystematisch verteilten
Sprengstoffresten im gesamten ehemaligen Werksgelände
gerechnet werden muß. Sie stammen aus den Rohrleitungen, aus
den Schmelz-, Misch- und Gießhäusern, aus Absetzbecken, den
Delaborierungen etc..
Unsystematische Sprengstoffunde wurden z.B. in der Nähe
eines ehemaligen Kraftwerkes und auf einer Ackerfläche weit
außerhalb des Werksgeländes gemacht (5).
Bei einer ersten Reinigung der ehemaligen Werksgelände bald
nach dem Krieg wurden z.B. die Inhalte von Klärbecken auf ein
zerbombtes Flugplatzgelände in der Nähe von Stadtallendorf
transportiert und in Bombentrichter eingefüllt, wo sie heute
noch aufgefunden werden (5).
4.2 Imissionsbereich Grundwasser
Die Belastung des Bodens und oberflächennahen Untergrundes,
d.h. der oberen 2 bis 10 Meter des Reliefs mit Produktions-
rückständen und Nitroaromaten (Neutralisationsschlämme und
Sprengstoffreste), wirkt nun langfristig als Emissionsquelle für
das Grundwasser.
Belastungen des Grundwassers mit aromatischen
Nitroverbindungen wurden erstmals 1954 bei der
Wiederinbetriebnahme des Wasserwerkes festgestellt. Da diese
hauptsächlich in den der "TRI-Halde" am nächsten gelegenen
Brunnen auftrat, ging man jahrelang davon aus, daß
die TRI-Halde die Hauptemissionsquelle für Schadstoffe sei. Sie
besteht aus ca. 50.000 - 70.000 m³ wasserhaltiger
Gipsschlämme. Austretendes Sickerwasser wird heute über zwei
Abschöpfbrunnen sowie eine Drainagesammelleitung nach
Filterung über Aktivkohle dem Vorfluter zugeführt. Die
Konzentrationen an aromatischen Aminen in den Abschöpf- und
Beobachtungsbrunnen liegen im Bereich bis ca. 100 µg/l, die an
Nitrotoluolen bis 5.000 µg/l (s. Abb. 3 + 4). Mit gekoppelter
Gaschromatographie/Massenspektrometrie (GC/MS) konnten
bisher mehr als 30 verschiedene Substanzen identifiziert
werden.
Die Abschöpfbrunnen werden seit 1981 in dreimonatlichen
Abständen, die Drainagesammelleitung seit 1987 monatlich
chemisch-analytisch auf Nitrotoluole und aromatische Amine
untersucht.
Regelmäßige halbjährliche Untersuchungen der
Trinkwasserbrunnen der sog. "Westkette" auf aromatische
Amine, die seit 1980 durchgeführt werden, zeigen jedoch eine
Belastung der gesamten Westkette. Da die Grundwasser-
fließrichtung von NO nach SW angenommen werden muß (6,7),
ist folglich davon auszugehen, daß zumindest im Bereich der
TNT-Produktionsketten weitere Emissionsquellen vorhanden sind
(2). Außerdem zeigte sich über einen Beobachtungszeitraum von
8 Jahren, daß die Konzentrationen an aromatischen Aminen in
den einzelnen Brunnen starken Schwankungen unterworfen sind
(s. Abb. 5) (2,8), was auf ein möglicherweise kompliziertes
Faktorengefüge hinweist.
Erst 1988, nach Erstellung einer Stoffliste durch die
Arbeitsgruppe "Umweltkontamination und Altlasten" der
Philipps-Universität Marburg (9) (s. Tab. 1), wurden die
Brunnen der Westkette systematisch auf Einzelsubstanzen der
Sprengstoffproduktion und Verarbeitung untersucht. Dabei
wurden in den o.g. Brunnen neben 2,4-DNT, 2,6-DNT und
TNT auch der in den Granatenfüllstellen in der
Sprengstoffmischung "Ammonit H 5" eingesetzte Sprengstoff
Hexogen nachgewiesen. Die Konzentrationen an Nitrotoluolen,
Hexogen und aromatischen Aminen liegen jeweils im
µg/l-Bereich (s. Abb. 6).
Da die Trinkwasserbrunnen Wasser aus 150 m Tiefe fördern,
wird mit dem Nachweis von Sprengstoffen aufgezeigt, daß der
Untergrund mindestens bis in diese Tiefe mit Nitroaromaten
kontaminiert ist.
Da die Konzentrationen an Nitrotoluolen im Bereich der
TRI-Halde um einen Faktor 10 bis 100 höher liegen als die
Konzentration an aromatischen Aminen, in den
Trinkwasserbrunnen jedoch etwa gleiche Relationen
angetroffen werden, wurde bereits 1986 die Vermutung
geäußert, daß die Nitrotoluole bei der Bodenpassage auf dem
Weg zum Grundwasser mikrobiell zu aromatischen Aminen
reduziert werden (2,8). Diese Annahme konnte 1988 durch eine
Untersuchung der "Arbeitsgruppe Umweltkontamination und
Altlasten" erhärtet werden (10).
5 Vorschlag für ein abgestuftes Untersuchungsprogramm zur
Untersuchung von Standorten ehemaliger Sprengstoffproduktion
Im Rahmen der Entwicklung eines Konzeptes für die Erkundung
und spätere Sanierung des Altstandortes Stadtallendorf sowie
weiterer Standorte ehemaliger Sprengstoffproduktion und
Verarbeitung (11) ist es wesentlich, daß heute der
Emissionspfad "Luft" allenfalls im Bereich der
Mononitrotoluol-Anlagen, den dazugehörigen Abwasserleitungen
und den Neutralisationsschlammhalden relevant ist. Ansonsten
geht es darum, Vor- und Hauptprodukte sowie
Produktionsrückstände im Bereich der Oberfläche und des
oberflächennahen Untergrundes zu lokalisieren.
Im folgenden wird ein von der Universitäts-Arbeitsgruppe
ausgearbeitetes und 1988 angewandtes (5,13) abgestuftes chemisch-
analytisches Untersuchungsprogramm dargestellt.
5.1 1.Stufe: TNT-Schnelltest
Sowohl im Rahmen von Untersuchungen mit Sondierungsraster,
aber auch bei punktuellen Erkundungen von Einzelobjekten ist
die Durchführung eines TNT-Schnelltests vor Ort sinnvoll.
Durch die relativ niedrige Nachweisgrenze des Schnelltests (in
Anlehnung an 12) von 50 mg/kg bis zu 2 mg/kg (je nach
Bodenmatrix) können bereits bei der Probenahme kontaminierte
Bereiche erkannt werden. Dadurch ist es möglich, sehr viele
Proben einer Voruntersuchung zu unterziehen. Emissionsquellen
(hochkontaminierte Bereiche) können bei der Probenahme
erkannt und eingegrenzt werden. Mononitrotoluole,
Dinitrotoluole sowie Hexogen werden allerdings nicht angezeigt.
Ist der zu untersuchende Standort quellenmäßig nur schlecht
belegt, wird mit Anwendung des Schnelltests eine gezielte
Probenahme möglich.
Im Mai/Juni 1988 wurde dieser Schnelltest bei der Entnahme
von Bodenproben auf dem Gelände der ehemaligen
Sprengstoffabrik "Werk Tanne" in Clausthal-Zellerfeld (13) und
im Oktober 1988 in Stadtallendorf (5) angewandt. Zur Zeit der
Probenahme war in Clausthal-Zellerfeld nur von wenigen
Gebäuden die Funktion sicher bekannt. Mit Hilfe des
Schnelltests war jedoch, wie die weitgehende
chemisch-analytische Untersuchung gezeigt hat, eine gezielte
Probenahme möglich (13).
5.2 2. Stufe: Photometrische Summenbestimmung von Dinitro-
toluolen, TNT und aromatischen Aminen
Nach Reduktion der aromatischen Nitroverbindungen mit
Titan(III)chlorid, Diazotierung und Kupplung mit N-(1-
Naphthyl)-ethylen-diammoniumdichlorid (NEDA) ergeben die
genannten Substanzen einen Azofarbstoff, der photometrisch
vermessen werden kann. Die Nachweisgrenze liegt bei 0,3
mg/kg Boden im Bezug auf TNT. Diese Methode erlaubt
halbquantitative Abschätzungen über die Konzentration an
Nitroaromaten und aromatischen Aminen in Bodenproben. Mit
dieser Methode ist es möglich, in einem Zeitraum von wenigen
Monaten z.B. eine rasterförmige Erkundung mit 1 - 2 m
Sondentiefe und 50 m Bohrabständen durchzuführen, um
flächenhafte Bodenbelastungen aus der Sprengstoffproduktion
und Verarbeitung aufzuspüren. Pro km² untersuchter Fläche
werden bei einem 50-m-Raster 400 Proben gewonnen.
Die 1988 im Rahmen der orientierenden Vorerkundung im
"Werk Tanne" in Clausthal-Zellerfeld gewonnenen Proben wurden
vergleichend nach o.g. Methode und gaschromatographisch auf
Mononitrotoluole, Dinitrotoluole und TNT untersucht (13). In
Abb. 7 sind die Analysenergebnisse von 54 Bodenproben
dargestellt. Aus den Ergebnissen geht hervor, daß bei
Nitroaromatenkonzentrationen (Summe Dinitrotoluole und TNT)
größer 1 g/kg Boden die photometrisch ermittelten
Konzentrationen z.T. um eine Zehnerpotenz zu niedrig liegen.
Unterhalb 1 g/kg Bodenbelastung ergibt sich jedoch eine gute
Übereinstimmung. Eine Ausnahme ist bei den
Neutralisationsschlammproben zu erkennen: hier liegen die
photometrisch ermittelten Werte einige Zehnerpotenzen über den
gaschromatographisch gefundenen Konzentrationen. Dies läßt
vermuten, daß mit den herkömmlichen Analysemethoden erst ein
Teil des in den Halden vorliegenden komplexen Stoffgemisches
erfaßt wird.
5.3 3. Stufe: Quantitative Einzelsubstanzbestimmung mit GC/ECD
Als nächster Schritt schließt sich eine quantitative
Einzelsubstanzbestimmung an. Erst nach Kenntnis von
Einzelsubstanzen kann eine toxikologische Bewertung
vorgenommen werden. Routinemäßig untersucht werden i.a.
Mononitrotoluole, Dinitrotoluole und TNT. Die Nachweisgrenzen
liegen für die o.g. Substanzen unter 0,1 mg/kg Boden. Vielfach
sind jedoch auch weitere Sprengstoffe in Mischungen verfüllt
worden, wie z.B. m-Dinitrobenzol, Hexogen, Nitropenta,
Pikrinsäure etc. Alle diese Substanzen sind im Boden zu
erwarten und müssen bei der analytischen Untersuchung
berücksichtigt werden.
Aufgrund des Ablaufes der TNT-Produktion ist mit einer
Vielzahl weiterer Nebenprodukte zu rechnen. Diese werden
hauptsächlich in Neutralisationsschlammhalden bzw. in deren
Sickerwässern angetroffen. Im GC-fingerprint ergeben sich
Hinweise auf weitere unbekannte Substanzen. Diese können in der
4. Stufe mit gekoppelter Gaschromatographie/Massenspektro-
metrie (GC/MS) identifiziert werden.
5.4 4.Stufe: Identifizierung unbekannter Substanzen mit
gekoppelter GC/MS
Im Drainagewasser der TRI-Halde in Stadtallendorf konnten von
uns bisher folgende Substanzen identifiziert werden:
a) Nitrotoluole: 2-Nitrotoluol, 3-Nitrotoluol, 4-Nitrotoluol,
2,3-Dinitrotoluol, 2,4-Dinitrotoluol, 2,6-Dinitrotoluol, 3,4-Di-
nitrotoluol und 2,4,6-Trinitrotoluol
b) Nitrophenole: 2-Methyl-3-nitrophenol, 3-Methyl-4-nitro-
phenol, 4-Methyl-3-nitrophenol, 5-Methyl-2-nitrophenol, 2,6-Di-
nitro-4-methylphenol und 4,6-Dinitro-2-methylphenol
c) Nitrobenzole: 1,2-Dinitrobenzol, 1,3-Dinitrobenzol und
1,4-Dinitrobenzol
d) Aromatische Amine: 2-Methylanilin, 3-Methylanilin, 4-Methyl-
anilin, 3-Nitroanilin, 2,4-Diaminotoluol 2,6-Diaminotoluol,
2-Methyl-5-nitroanilin, 4-Methyl-2-nitroanilin und 4-Methyl-
3-nitroanilin
e) Sonstige: 1,3,5-Trimethylen-2,4,6-trinitramin (Hexogen).
Diese Liste stellt den aktuellen Stand dar.
6 Mikrobiologie
Die bis jetzt durchgeführten Untersuchungen im Rahmen der
Mikrobiologie sollten vor allem die Biologiefähigkeit der
Nitroaromaten aus der Sprengstoffproduktion (v.a. TNT)
aufzeigen. Es sollte zum einen die Frage geklärt werden,
inwieweit diese Stoffe metabolisiert bzw. abgebaut werden und
welche Metaboliten nachgewiesen werden können. Zum anderen
sollte eine mögliche toxische Wirkung dieser Xenobiotika und
deren Metabolite auf die Mikroflora untersucht werden. Zum
Abbau von Nitroaromaten liegen einige Veröffentlichungen vor,
die sich insbesondere mit der Möglichkeit eines Totalabbaus
(Mineralisierung) dieser Stoffe auseinandersetzen. Im
Zusammenhang mit den beschriebenen Sprengstoffaltlasten ist
jedoch neben der "Sanierungsfrage" über Totalabbau die
Aufklärung unvollständiger Abbauwege unter "natürlichen"
Bedingungen mit einer Akkumulation von Zwischenprodukten,
die nicht oder nur sehr langsam weiter abgebaut werden
können, von Bedeutung. Diese stellen z.B. zusätzliche
Gefährdungspotentiale (über "Giftungsreaktionen") dar oder
beeinflussen durch veränderte chemisch-physikalische
Eigenschaften, wie z.B. bessere Mobilisierbarkeit, das
Grundwasser.
So wurden beim Abbau von TNT durch adaptierte
Mikroorganismen, die aus kontaminierten Standorten
(Stadtallendorf, Clausthal-Zellerfeld) isoliert wurden (10),
aromatische Amine gebildet, die z.T. in ihrem
Reaktionsverhalten mit den im Wasser und Boden kontaminierter
Bereiche nachgewiesenen weitgehend identisch waren. Außerdem
wurden nach einer mehr als 99%igen Elimination von TNT durch
Mikroorganismen innerhalb weniger Tage 2 Metabolite
gaschromatographisch abgetrennt. Diese Metabolite konnten in
Wasser- und Bodenproben an den Standorten ehemaliger
TNT-Produktion und Verarbeitung Stadtallendorf (Tiefbrunnen,
Haldensickerwasser und Boden), Hessisch-Lichtenau
(Trinkwasserbrunnen und Haldensickerwasser) und Clausthal-
Zellerfeld (Oberflächenwasser und Boden) nachgewiesen werden
(s. Abb. 8). Das Entstehen von in der Literatur beschriebenen
Toluidinen bzw. Nitrotoluidinen als weitgehend stabile
mikrobielle Reduktionsprodukte der Di- und Trinitrotoluole
konnte bis jetzt jedoch noch nicht bestätigt werden.
Abbauversuche wurden mit Di- und Trinitrotoluol als einzige
Kohlenstoff- und Energiequelle und auch als einzige
Stickstoffquelle sowie mit zusätzlichen C- und N-Quellen
teilweise erfolgreich durchgeführt, so daß vermutet werden
kann, daß zumindest einige isolierte Bakterienstämme TNT und
z.T. Dinitrotoluole sowohl als C- als auch als N-Quelle nutzen
können.
Ob eine weitergehende Mineralisierung, zumindest mit
Mischkulturen, möglich ist und ob die im Kulturversuch
erhaltenen Ergebnisse auf die Verhältnisse im kontaminierten
Sicker- und Grundwasser sowie im Boden übertragbar sind,
bedarf einer weiteren Klärung.
7 Ausblick
Aufgabe eines Forschungs- oder Untersuchungsprojektes sollte
es sein, die Imissionsgebiete aufzuspüren, deren sekundäre
Emissionen festzustellen und zu beseitigen. Hierzu erweist sich
ein mehrstufiges Programm als sinnvoll, in dem nach einer
eingehenden historisch-genetischen und funktionalen Unter-
suchung die folgenden Arbeitsschritte durchgeführt werden
müssen:
1) Flächenhafte bodenkundliche Aufnahme mit Bodenart,
Bodentyp und TNT-Schnelltest mittels Sondierbohrungen im
quadratischen Raster von 50 m. Dies erlaubt die Kartierung aller
Abgrabungen, Aufschüttungen und auffallenden Veränderungen
der Oberfläche wie z.B. Wuchsschäden.
2) Erkundung des oberflächennahen Untergrundes, insbesondere
der pleistozänen Hang- und gegebenenfalls Flußsedimente bis
zum anstehenden Gestein, da in diesem Bereich sowohl
Transportvorgänge als auch mikrobieller Um- und Abbau der
Altstoffe zu erwarten sind.
3) Ausbau und Überwachung von Grundwassermeßstellen.
Parallel zu diesem Programm sollte erfolgen:
4) die Untersuchung der ehemaligen Produktionsgebäude und
der Abwasseranlagen, insbesondere Hausanschlüsse,
Abscheider, Vorbecken, Kanalnetz, Neutralisationsanlagen etc.
mit Sondierungen. Dazu sind möglichst originale Werkspläne,
Bauzeichnungen und Luftbilder zu verwenden.
5) Zu ermitteln sind ferner die klimatologischen, geologischen
und hydrogeologischen Rahmenbedingungen sowie die Art der
Oberflächenbedeckung und aktuelle Nutzung.
6) Die mögliche Aufnahme von Nitro- und Aminoaromaten sowie
deren mikrobielle Metabolite in Nutzpflanzen ist zu untersuchen.
7) Zur Gefährdungsabschätzung ist ein toxikologisches
Gutachten notwendig, wobei nutzungsbezogene Richtwerte
erarbeitet werden sollten.
Literatur:
1) Urbanski, T.:
Chemie und Technologie der Explosivstoffe.
Bd. 1, Leipzig, 1961
2) Haas, R.:
Gutachten über die ehemaligen Sprengstoffabriken in
Stadtallendorf/Hessen.
Marburg, 1986.
3) Preuß, J., Haas, R., Koss, G.:
Altstandorte, Altablagerungen, Altlasten. Das Beispiel eines
ehemaligen Standortes der chemischen Rüstungsindustrie.
Geographische Rundschau 40 (1988) S. 31 - 38
4) Kratz, B.:
Erfahrungen mit Abwasser-Säureneutralisation.
Vom Wasser (1949) S. 83 - 88
5) Preuß, J., Haas, R.:
Bericht über die Begehung von Produktionsstätten auf dem
ehemaligen DAG-Gelände in Stadtallendorf auf oberflächen-
nahe Ablagerungen aus der ehemaligen Sprengstoffproduktion.
Marburg, 1988.
6) Engel, F., Hölting, B.:
Die geologischen und hydrologischen Verhältnisse und die
Erschließung des Grundwassers der Wasserwerke Stadtallen-
dorf und Wohratal (Landkreis Marburg).
Wasser und Boden 22 (1970) S. 105 - 111
7) Hölting, B.:
Hydrogeologie.
Stuttgart, 1980.
8) Haas, R., v. Löw, E.:
Grundwasserbelastung durch eine Altlast. Die Folgen einer
ehemaligen Sprengstoffproduktion für die heutige Trink-
wassergewinnung.
Forum Städte-Hygiene 37 (1986) S. 33 - 43
9) Arbeitsgruppe Umweltkontamination und Altlasten;
AG Koss, G.: Haas, R., Schreiber, I.
AG Preuß, J.: Gestermann, B., Lehmann, B.
Bericht über die Durchführung eines orientierenden
Programms zur Untersuchung einer Rückstandshalde des
"Werkes Herrenwald" der WASAG unter dem Verkehrsübungs-
platz in Stadtallendorf.
Marburg, 1988.
10) Neumeier, W., Haas, R., v. Löw, E.:
Mikrobieller Abbau von Nitroaromaten aus einer ehemaligen
Sprengstoffproduktion. Teil 1: Abbau von 2,4,6-Trinitro-
toluol (TNT).
Forum Städte-Hygiene 40 (1989) S. 32 - 37
11) Preuß, J., Haas, R.:
Die Standorte der Pulver-, Sprengstoff-, Kampf- und
Nebelstofferzeugung im ehemaligen Deutschen Reich.
Geographische Rundschau 10 (1987) S. 578 - 584
12) Kast, H., Metz, L.:
Chemische Untersuchung der Spreng- und Zündstoffe.
Braunschweig, 1944.
13) Haas, R., Stork, G.:
Bericht über die Ergebnisse der orientierenden
Voruntersuchung in der ehemaligen Sprengstoffabrik "Werk
Tanne" in Clausthal-Zellerfeld.
Marburg, 1988.
Abbildungen sind in diesem Beitrag nicht enthalten.
Grundlage ist ein Vortrag, der am 25.4.1989 im Rahmen des Expertengesprächs Rüstungsaltlasten in Hannover gehalten wurde (s. Publikationsliste).
Aufbauend auf die dargestellten Erkenntnisse der Arbeitsgruppe Umweltkontamination und Altlasten wurden in den Folgejahren an der Philipps-Universität Marburg und anderswo die seinerzeit von uns erarbeiteten Grundlagen vertieft und erweitert.
Aus heutiger Sicht mögen die dargestellten Sachverhalte banal erscheinen. Seinerzeit entsprachen sie dem Stand des Wissens.
Die damalige Arbeit der Arbeitsgruppe Umweltkontamination und Altlasten hat für alle Autoren den weiteren Lebensweg beeinflußt:
Prof. Dr. Gottfried Stork leitete bis zu seinem Tod im Jahr 1998 eine Arbeitsgruppe im FB Chemie, Analytik. Ein wesentlicher Teil der Mitarbeiter beschäftigt sich mit Fragestellungen der Rüstungsaltlasten.
Dr. Johannes Preuß habilitierte auf dem Gebiet der Rüstungsaltlasten und leitet als Prof. an der Johannes-Gutenberg-Universität in Main (FB Geographie) eine Arbeitsgruppe, die sich mit Fragen der Rüstungsaltlasten beschäftigt.
Dr. Eberhard v. Löw ist am Institut für Immunologie, Institut für Umwelthygiene, Leiter einiger Forschungsprojekte, die sich mit rüstungsaltlastenrelevanten Fragestellungen beschäftigen.
Dr. Rainer Haas gründete 1992 das Büro für Altlastenerkundung und Umweltforschung, welches auf Rüstungsaltlasten spezialisiert ist.
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